Dienstag, 30. März 2010

Will Future hat heute in der Mensa am Park einen Freund kennengelernt. Sie verstehen sich ganz ausgezeichnet. Er heißt Gordon Bleu und „sein Vater war Französin“ wie
Dr. Rainer Text gewußt haben will, der im Sommersemester an der ehemals größten Universität Europas in Cluny lehrt, von der leider nur noch die Turnhalle erhalten ist.

Gordon Bleu mag weder Pommes frites noch Möhren, auch wenn viele das von ihm denken. Aber Cola und den Geruch einer Currywurstbude, weswegen er, Gordon, und Will, Future, sich auch gleich sympathisch waren. Äußerlich würde man das erstmal gar nicht denken, denn Will trägt Jeans und Turnschuh, während Gordon Cordhosen anhat. Ein eleganter Gentleman, dachte ich für den Moment. Die girls und boys fliegen auf ihn, sogar einige criminal queers. Darin sonnt sich Gordon freilich gern, der alte Lebemann. Niemanden würde es wundern, wenn er sich als ausgesprochen guter Tänzer oder Kegler zu erkennen gäbe.

Und auch der hemdsärmelige Will mit dem zukunftsträchtigen Namen wird noch völlig überraschend gegen Ende des Buches einen Rekord für die Ewigkeit auf der Kegelbahn im Kellergeschoß des imposanten Landgasthofes aufstellen, einen sogenannten Dreizehnerpasch, doch dazu später mehr.

Er trägt also einen sehr passenden Namen. Glückwunsch an die Eltern, besonders an den Vater, Roy de Janeiro, daß er entgegen aller Anfeindungen den Namen seiner Frau annahm, als beide sich auf einer unvergesslichen Doppelhochzeit das Jawort gaben. Das zweite Paar und deren Familie hatten sie vorher und nachher nie gesehen, doch angesichts dieser peinlichen Doppelbelegung der Kapelle, zu der es gekommen war, weil auch der andere Bräutigam Roy de Janeiro hieß, ein eben sehr gewöhnlicher Name zu dieser Zeit, war es noch ein ganz schöner Nachmittag geworden.

Will, man hört es ja schon, war Amerikaner, der hier seit einem Jahr stationiert war. Er arbeitete als Fliesenleger und das schon seit fünf Spielzeiten im ortsansässigen Lichtspielhaus. Gordon hatte er dort auch kennen gelernt, wie man eben irgendwann ins Gespräch kommt, wenn man Abend für Abend nebeneinander am Pißbecken steht. Da spielt es keine Rolle, daß der eine fliest und verfugt, der andere dagegen einfach nur kokst.

Erst viel später sollte dabei der Leser erfahren, daß Gordons Koks in Wirklichkeit Puderzucker war, den er noch dazu – und er hatte dies lange einstudiert – nur bis in den gerollten Geldschein einsog, weil er es haßte zu schnupfen. Den Hunni steckte er dann immer schnell ein und wenn es nicht, wie bereits erwähnt, bei besagtem Ich-bin-ein Elephant-Spiel so aus seiner Hosentasche gestiebt hätte, wäre vermutlich nie jemand hinter sein dunkles puderzuckernes Geheimnis gekommen.

Glücklicherweise war Gordon zu cool, um peinlich berührt zu sein. Ich wollte gleich noch backen, kommentierte er staubtrocken. Au ja, aber ohne Rosinen!, sagte die Kassenverkäuferin, die aus dem elephantenförmigen Ticketschalter des Zoos herüberwinkte. Ich hasse Rosinen!, rief da schon der erste und schon eine halbe Stunde später skandierten alle Beteiligten: Tod den Rosinen!

In der FAZ stand, daß Eric Rohmer an meinem Geburtstag gestorben ist. Doch wußte dies keiner der Protagonisten und auch der Leser kennt weder meinen Geburtstag, noch Eric Rohmer. Es traf sich also gut, daß hier dieser Artikel an der Wand des Aquariums angepinnt war. Beim nächsten Parisaufenthalt würde Will auf jeden Fall französische Filme kaufen, vielleicht sogar das Geburtshaus von Gordons Vater, geborener de Janeire aus Val-de-Marne, besuchen.

Dieser hatte sich jahrelang nicht vorstellen können, sich je zu vermählen oder fortzupflanzen, sich dann aber, nachdem er einige Romane und Filme angesehen hatte, in die Ticketverkäuferin des Zoos von Val-de-Marne heftigst verliebt und deren Schwester geheiratet – auch hier war es bei der Trauung zu einer Verwechslung gekommen, mit der aber alle, besonders die Familie Bleu, gut leben konnten, weil im Speziellen die Eltern von Gordons Mutter fanden, daß Arthur de Janeire, wegen seiner frappanten Ähnlichkeit mit König Arthus oft nur Roi genannt, nicht gut genug für ihre Tochter, also Gordons Tante, war und viel besser zu deren intelligenteren Zwillingsschwester paßte, auch weil sie deutlich größer als ihre Schwester war, vor allem aber, weil der Tradition, daß Braut und Bräutigam sich vor der Trauung nicht sehen dürfen, geschuldet das grüne Kleid Gordons Mutter besser zu Rois grünem Anzug paßte als der türkisfarbene Hosenanzug ihrer Schwester.

Gordon war damals erst zwei Jahre älter als Will morgen wird, und konnte sich kaum noch erinnern an die Trauung, außer daß der Photograph extra noch einen Schwarzweißfilm an der Tankstelle holen mußte, damit man alle auf ein Bild nehmen konnte ohne sämtliche Gesetze der Optik zu verletzen (es sei noch einmal an das viele Grün und Türkis erinnert). Dafür setzte sich Gordons Großmutter, Claire Bleu d.Ä., denn seine Mutter hieß ebenfalls Claire, vor allem ein, weil sie den größten Teil ihres Berufslebens, insgesamt fast drei Jahre, bei Kolibri arbeitete, Kontaktlinsenbrillen, einem Optiker, der sich streng ans Gesetz hielt. Gordons Großvater, Foncé Bleu, geborener Rouge, haßte den Besitzer des Kolibri, weil er auch nach allen gerichtlichen Urteilen, die gegen ihn sprachen, die ihm sogar eine vierjährige Freiheitsstrafe auf dem Monte Christo eingebracht hatten, davon überzeugt war, daß Monsieur Oberkampf, so hieß der Optiker nämlich wirklich, auch wenn ihn alle Welt Señor Kolibri nannte, den Namen seiner Buchhandlung libri&co gestohlen hatte, die schon wenige Jahre später schließen wird.

Aufgaben

Beantworten Sie ZWEI (oder DREI oder ALLE) der folgenden Fragen!

1. Skizzieren Sie die Konstellation aller auftretenden Figuren.

2. Unterstreiche farbig (zum Beispiel grün) alle Verbformen der 3. Person Plural Plusquamperfekt und bestimme deren lateinische Infinitive.

3. Gehen Sie auf den Hof und machen Sie, wenn Sie ein Junge sind, 20 Liegestütze. Wenn Sie ein Mädchen sind: 19. Wenn Sie sich nicht entscheiden können / wollen: entweder 19 Liegestütze mit Hosen oder 20 mit Rock.

4. Male ein Bild von Will Future.
a. Welche Informationen gibt dir der Text? Was mußt du selbst hinzufügen?
b. Inwiefern kann dir das Internet dabei helfen? Erstelle eine Pro-Kontra-Liste zur Nützlichkeit und Seriosität von Informationen aus dem Netz. Geht von ihnen eventuell sogar eine Gefahr aus?
c. Beziehe in deine Überlegungen Roland Barthes Konzept vom Tod des Autors bzw. die Rolle des Lesers im postmodernen Textverständnis ein.

5. Erstellen Sie ein Marketingkonzept für ein Standesamt im kleinstädtischen Bereich, sodaß es gut ausgelastet, aber niemals doppelt belegt ist.

6. Singe ein Lied, in dem die Worte Weihnachtsmann, Vogelhochzeit und highway vorkommen.

7. Einer der Kunden im Kolibri klagt über ständige Kopfschmerzen und verschwommenes Sehen.
a. Diagnostiziere seine Krankheit unter Berücksichtigung der Tatsache, daß seine Frau die Gicht hat.
b. Hat der Kunde Anspruch auf Entschädigung vom Optiker Oberkampf, weil dieser ihm vor sechseinhalb Jahren eine falsche Brille verkaufte, sodaß der Kunde nun berufsunfähig ist (er hat eine Ausbildung zum Kosmonauten abgeschlossen)?

8. Welche Zeitform folgt im Hauptsatz eines englischen Conditional sentence, wenn im if-clause Präsenz steht?

9. In welcher Zeit spielt die Geschichte? (Hinweis: Roy de Janeiro als zeittypischer Name.) Ordne sie in die kunst- und weltgeschichtlichen Kontexte ein, unter spezieller Berücksichtigung der aristotelischen Poetik und ihrer Rezeption im 17. Jahrhundert sowie der Folgen des Ersten Punischen Krieges auf die Wirtschaft in Vorarlberg (Österreich). Ist der Text zeitkritisch oder eine Erscheinung des Pop bzw. reaktionär oder fortschrittlich?

10. Zeichne die Aufstellung der Kegel beim Kegeln auf. Wieviele Kegel muß man entfernen, damit noch so viele Kegel da sind, daß man die dritte Wurzel ihrer Anzahl ziehen kann ohne eine nichtnatürliche Zahl zu erhalten?

11. Sammle im Wald drei Blumen, die du einer Braut schenken würdest. Klebe sie in ein Heft und beschrifte ihre Teile.

12. Stelle dich kurz auf Französisch vor, bedenke aber, daß dein (imaginäres) Gegenüber nur schlecht französisch spricht und eventuell auf Englisch nachfragt.

13. Erstellen Sie ein Motivationsschreiben, indem deutlich wird, warum Sie ausgerechnet von diesem Korrektor 8 Creditpoints wollen.

(Arbeitszeit: 380 Minuten; Hilfsmittel: graphikfähiger Taschenrechner, Stowasser, bilinguales Handelsregister, Stethoskop

Bitte senden Sie den ausgefüllten Fragebogen, alle Skizzen und „Schmierzettel“ sowie das Photo für Aufgabe 2 an: willfuture@rocketmail.com

Das Ergebnis des Tests erhalten Sie umgehend, jedoch spätestens bis zum 15. des Folgemonats sofern dies kein Mittwoch oder ein Schaltjahr ist. Einige Tage später erfahren Sie dann auch, ob Sie zur mündlichen Prüfung zugelassen werden.

Viel Erfolg!)

Samstag, 27. März 2010

Friedrich Schillers Enkelin ließ jetzt eine Photographie rumgehen, auf der eine Art Murmeltier zu sehen war, das auf den Hinterbeinen stehend mit beiden Händen eine kleine Colaflasche umfaßte und daraus trank. Eigentlich ein ganz außerordentliches Bild, sagte Madame Vaugirard. Ihr Mann zeigte wenig Interesse an der Photographie, wie er es eigentlich mit allen Dingen zu tun pflegte, schien jedoch von diesem Gefühlsausbruch seiner Frau ein wenig überrascht. Wenigstens zuckte sein linkes Ohrläppchen geringfügig mehr als es es sonst tat.

Garibaldi hatte dies beobachtet. Er war Dichter und lebte genau von diesen kleinen Details, welche andere übersahen und welche er in ganz bezaubernde kleine Oden einflocht. Schillers Enkelin, deren Namen ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht in Erfahrung bringen konnte, weil ich durch das Pferderennen bedingt, ein wenig zu spät erschienen war, jedenfalls erst nachdem Mademoiselle vorgestellt wurde und nun noch danach zu fragen, hätte für peinliche Blicke an allen Enden gesorgt, zeigte nun auf ein Detail links im Bild: einen Automaten, dem man für einige Pesos, denn es handelte sich hierbei, so ließ sie jetzt en passant einfließen, um eine Aufnahme aus Peru, eine Flasche dieser Limonade entnehmen konnte, um sie dem Tier zu überreichen, welches sie dann in einem Zug leerte, bevor es mit einem herzhaften Rülps den umstehenden Beifall einläutete.

Freilich sagte Mademoiselle Schiller, so nannte ich Schillers Enkelin von nun an in Gedanken, nicht Rülps. Das wäre der Situation nicht angemessen gewesen. Vielmehr ahmte sie das Geräusch des Tieres nach und auch hier staunten und applaudierten nun alle Umstehenden.

Garibaldi begann im Folgenden eine lebhafte Erzählung über einen Waschbären, der wiederum, so traute sich Madame Lecourbe, die seit jeher über die neuesten Vorgänge in der Hauptstadt informiert gewesen war, einzuwerfen, kürzlich in Paris zum Tier des vergangenen Jahrhunderts gewählt worden war, was die Gesellschaft anerkennend goutierte, und der, so nahm Garibaldi wieder den Faden des Erzählens auf, um die Zuhörer für seine Geschichte zurückzugewinnen, so kleine Hände mit richtigen Fingern habe wie ein Mensch, weswegen er jetzt überhaupt erst auf die Erzählung gekommen sei, weil Madame Schiller, sie trug also tatsächlich noch den Namen des Großvaters und war zudem bereits, trotz ihrer jugendlichen Erscheinung, ihrer knospenden Schönheit, vermählt, eben von den Händen des Murmeltieres gesprochen hatte, von diesen kleinen menschlichen Händen.

Er habe eben diese in einer Fernsehdokumentation über den Waschbären bewundert, die eines dieser wundervollen Geschöpfe, wie er sie jederzeit nannte, zeigte, wie es mit gespreizten Beinen über einem kleinen Rinnsal stand und sich am Anblick der es umgebenden Landschaft erfreute, während es vorn ein wenig übergebeugt, mit diesen kleinen Händen im Wasser versuchte, einen Fisch zu erhaschen, was ihm, obwohl es mit den Augen ganz an anderer Stelle war, gelang. Garibaldi, welcher nicht unbedingt für seine überschwängliche Emotionalität bekannt war, zeigte sich für seine Verhältnisse äußerst angetan von diesem wundervollen Geschöpf.

Monsieur Vaugirard, der sich offensichtlich von der Gesellschaft entfernt hatte, welche dies ob der faszinierenden Erzählung Garibaldis wohl gar nicht bemerkt hatte, betrat in diesem Moment den Salon von der Seite des Gartens. Er hatte die schwere Flügeltür geöffnet und führte zur allgemeinen Überraschung einen Waschbären an der Leine.

Sehen Sie sich das an, meine Damen! entfuhr es Madame Lecourbe und sie zeigte auf Monsieur Vaugirard und seinen Waschbären, der sich nun an seinem Auftritt erfreute, dies jedoch in der angemessenen Distanziertheit zur Schau stellte, ein Eichhörnchen! Vaugirards Ohrläppchen zuckte erneut ganz zart. Madame Lecourbe hatte hinter den beiden, Monsieur Vaugirard und dem Waschbären, durch die offenstehende Flügeltür im Garten ein Eichhörnchen entdeckt und auch die anderen anwesenden Damen und Herren zeigten sich von ihm entzückt und traten hinaus und hin zu dem Tier, um es zu streicheln.

Es wunderte mich ein wenig, daß sich die Damen, durch und durch Frauen von Welt, also ausgesprochene Städterinnen, gar nicht fürchteten und noch mehr, daß sich das Eichhörnchen gar nicht scheu zeigte, ganz im Gegenteil die Aufmerksamkeit der Gesellschaft zu schätzen, ja zu genießen schien. Monsieur Vaugirard hatte den Waschbären nun von der Leine losgemacht, während ich eine kleine Melodie, ein Streicherquartett von Mozart oder den Flowwalzer, ich erinnere mich nicht genau, am Flügel improvisierte. Das Tier schien sich für mich oder meine Musik zu interessieren, legte es sich doch unverzüglich auf meinen schwarzbefrackten Schoß.

Die Gesellschaft hatte nun im Garten zwischen den alten Eichen, die vor mehr als achtzig Jahren Madame Vaugirards Großvater, ein Zeitgenosse Schillers Vaters, pflanzen ließ, Platz genommen, auch Monsieur Vaugirard trat nun zu ihnen, nachdem er dem Dienstmädchen aufgetragen hatte, ein wenig Kaviar auf den Grill zu legen. Das Dienstmädchen, ein durch und durch elegantes Wesen, das in seinem Schürzchen wie verkleidet wirkte, machte einen Knicks und ging in die Küche, um alle Vorbereitungen für ein rauschendes Grillfest einzuleiten. Als erstes öffnete sie dafür eine Dose Bier und trank sie, äußerst elegant, sodaß ich von meinem Platz am Flügel aus, während ich weiterspielte, um den Waschbären, der unterdessen friedlich eingeschlafen war, nicht zu wecken, sie schräg durch die Küchentür beobachtend, an das colatrinkende Murmeltier denken mußte.

Madame Schiller war nun in den Salon und an den Flügel getreten, ohne daß ich sie bemerkt hatte und ertappte mich beim Spiel. Sie erfreute sich an meinem überraschten Gesichtsausdruck und begann einen Choral von Bach zu singen, der zufällig ausgesprochen gut zu der Melodie paßte, die ich spielte, den sie allerdings abbrach, darüber lachend, daß sie jetzt den Waschbären auf meinem Schoß entdeckte. Das Tier erwachte, und wirkte wie aus süßesten Träumen gerissen, verdutzt, taumelte durch den Raum, sich umblickend, aber nicht wissend, wo es denn hier gelandet sei.

Friedrich Schillers Enkelin setzte sich daraufhin frech auf meinen Schoß, wieder war ich überrascht, wieder war ich angenehm überrascht. Sie sagte: Weggegangen, Platz gefangen und wir lächelten beide, wie man es sich eben in solch einer Situation vorzustellen hat. Ich fragte sie, ob denn ihr Herr Gemahl nichts gegen ihre forsche Art gegenüber fremden Herren habe. Ihr Gesicht verzog sich fast unmerklich, aber Garibaldi hätte es ebenso bemerkt wie ich, wenn er an meiner Stelle gewesen wäre, und sie sagte, daß sie dies nicht genau wisse, weil sie nicht mehr allzu oft mit ihm gesprochen habe seit er verstorben war. Ich bekundete ihr mein Beileid, mehr aus Reflex als aus Überzeugung, aber sie sagte gleich, daß wir beide nun einmal hier seien und Monsieur Schiller ja tot. Ich blickte mich im Salon um und suchte nach einem Neuanfang.

Das ist wirklich eine ausgezeichnete Photographie, die sie da aus Peru mitgebracht haben, die Schönheit der Natur scheint sich in ihr zu kristallisieren.
Das haben Sie schön gesagt Monsieur –
d'Avenir, Guillaume d'Avenir, Madame, aber bitte nennen Sie mich doch Gilles.
Nun gut, Monsieur Gilles, das haben Sie sehr schön gesagt. Ich kann Ihnen gern einen Abzug des Bildes per Email schicken, wenn Sie mögen, oder Sie begleiten mich kurz mit hinauf, ich habe noch einen schönen Abzug in Schwarz-Weiß in meinem Gepäck.

-

Es war ausgesprochen heiß geworden an diesem Nachmittag, als wir zurück zur Gesellschaft hinabstiegen. Wir kamen natürlich nicht gemeinsam, ich wartete einige Momente. Sie unterhielt sich angeregt mit einigen Damen, deren Namen ich nicht kannte, und zeigte, als ich dazu stieß, auf das Eichhörnchen, welches sich jetzt auf der Eiche neben dem Poolhaus einer Kastanie widmete.

Donnerstag, 25. März 2010

Jedweder Dank fürs Bekanntmachen mit literal-Musicvideos geht an Thomas Kanonenkugel, Dieter Tschik und Mademoiselle Suzanne.

Letztere hat durch aufwendigste prokrastinative Transkribierungsprozesse das ganze Poem rekonstruiert.

Wir wollen uns an dieser Stelle auf das Wesentliche beschränken:

This is the past, the future.

Mittwoch, 24. März 2010

Goldene-Pomelo-Preisträgerin verleugnet ihren Vater!

Paris. Es war der Höhepunkt des Abends der diesjährigen Verleihung der Goldenen Pomelo: völlig zu Recht erhielt die Pomelo (Photo) den Preis und bedankte sich anschließend sichtlich ergriffen bei ihren Eltern und Gottfried Obst- und Gemüsetransporte ("für all die schönen Reisen").

Doch jetzt erfuhr Will Future: die Pomelo verleugnet ihren Vater! Sie bedankte sich bei Vater Apfelsine und Mutter Pampelmuse, doch in Wahrheit kam sie 1970 in Israel als Tochter von Grapefruit (citrus paradisi) und Pampelmuse (citrus maxima) zur Welt! Ein Forscher von Weak E. P. D. A. teilte dies Future am Abend mit.

Viele Menschen glauben gar nicht, daß Grapefruit und Pampelmuse verschiedene Früchte sind, doch ein Schwangerschaftstest hat jetzt ergeben, daß Paradisi und Maxima Pomelos Eltern sind.

Hintergrund: Maxima ließ sich in den 80er Jahren von Paradisi Citrus scheiden, heiratete 1997 Sinensis Citrus (Apfelsine), Paradisis jüngeren Bruder.

Das war in den neunziger Jahren,
das war nicht irgendwann.
Das war in dem Jahr, als Jan Ullrich
die Tour de France gewann.

Pikant: Sinensis Citrus war ebenfalls nominiert auf der Gala, ging in der Kategorie orange Orangenfrucht jedoch leer aus, während Paradisis Beitrag zum Multivitaminsaft in der Kategorie Crossover einen Preis einheimste (Will Future berichtete).

Stellung wollte dazu keiner aus der Familie Citrus beziehen, ein Sprecher verwies darauf, daß Paradisi mit seiner Kirsche auf den Bahamas verweile und Maxima und Sinensis Citrus eine Vitaminkur machen.

Die Jury zeigte sich großzügig, man sei not amused über diese Geschichte, wolle sich aber nicht in private Dinge einmischen und habe zu keiner Zeit daran gedacht, der Pomelo ihre Goldene Pomelo abzuerkennen.

Auf jeden Fall ist für Gesprächsstoff im nächsten Jahr auf der Gala gesorgt.

Die Kartenanfragen für die Goldene Pomelo 2011 häufen sich, vielleicht auch wegen dieser „Promigeschichte“ und da es sich hierbei um eine Wanderausstellung handelt, sei noch einmal darauf hingewiesen, daß sich Interessierte gern bei Will Future melden können, um die genauen Anforderungen für die Veranstaltung der Gala zu bekommen. Kartenreservierungen wie bisher.

Dienstag, 23. März 2010

Doch das war echt zu viel. Aus die Maus. Das konnte er sich unmöglich noch länger angucken. So konnte es nicht weitergehen. Er ging zu ihm und sagte:

Es ist an der Zeit, mal reinen Teich zu machen.

Sonntag, 21. März 2010

Sensation in Paris. Nachdem es vor Jahren für tot erklärt wurde, tauchte am Vormittag in der Nähe des Centre Schubidu das ß wieder auf. Die CIA zeigte sich überrascht, auch Scotland Yard hatte nach jahrelanger Suche nicht mehr damit gerechnet, es im Ausland anzutreffen.

Passanten wurden aufmerksam, weil ein Junge auf eine Tafel zeigte und „Guck mal dort! Ein ß!“ zu seiner überaus gut aussehenden Freundin sagte.

Und tatsächlich, nachdem es mehrere Jahre untergetaucht war - die letzten Spuren verliefen 1981 im Sand Tropez - hielt es sich jetzt im dritten Pariser Arrondissement in einer Crêperie versteckt. Tausenden Touristen war bisher nichts aufgefallen an der Tafel mit den JAMßON-CRÊPES.

Die Frage, warum denn kein Franzose gemeldet habe, daß da JAMßON statt JAMBON angepriesen wurde, beantwortete Felix Leiter von der CIA damit, daß noch nie ein Einheimischer in eine Crêperie gegangen sei.

Eventuell habe das ß aber auch französische Kontakte aus Sand Tropez gehabt. Das trotz heftiger Anklagen nach wie vor auf freiem Fuß lebende Ç wollte sich zu dem Fall nicht äußern.

Vertreter von ÅÆØœå, ČŜůŰîĉ und яЩд sowie die Altkader um έ.ΣΦΨΩ unterzeichneten eine Petition zum milden Umgang mit dem ß. Es habe trotz einiger Vergehen Großes geleistet. έ.ΣΦΨΩ-Ehrenvorsitzender Prof. Dr. ΓΰδΩΞθΛ dazu:

Was wäre die Welt ohne Strauß, Gauß und Kießling. Und auch das in letzter Zeit gehypete @ ist ohne das ß nicht denkbar. Sprachwissenschaftlich betrachtet ist die komplette Philosophie des @s bereits im ß vorgedacht:

ß = [äs + z@]

Wie harmonisch beide, das traditionelle ß und das postmoderne @, gemeinsam funktionieren, zeigt das Beispiel der Firma Rügenwald: Deren beliebtestes Produkt ist und bleibt die feine M@wurßt.

Donnerstag, 18. März 2010

Will Future is not going to future V. but to the past.
the remixes 2010.

dénouement
William S. Burroughs feat. Will Future: Interview mit einem Virus (197? // 2010)


Menschliche Handlungen sind so vorhersehbar, daß man wirklich nur noch gähnen kann // Naja, auf dem Gebiet hab ich einige Schwulitäten erlebt, aber nichts Ernstes // Ich kanns nicht leiden, wenn geschrien wird // Das ist nicht Nova, das ist höchstens Totschlag // Ich bin Realität, und ich bin süchtig nach Realität //

Was Sie die Geschichte der Menschheit nennen, ist die Geschichte meines Fluchtplans. Ich will nicht eure ‘Liebe‘! Ich will nicht eure Gnade. Ich will nichts als raus hier //

Also – Sie verlassen Ihren Körper und stellen sich da drüben in die Ecke // Doch denken Sie bitte daran: es gibt keine Wahrheit im Raum. Es gibt keine Zeit, es gibt kein Oben und Unten, und der Anfang ist zugleich das Ende //

Und damit, Ladies und Gentlemen, wünschen Ihnen unsere Akteure endgültig und für immer eine gute Nacht
Will Future ist not going to future IV. but to the past.
the remixes 2010.

retardation
Heinrich Heine feat. Will Future: Einleitung zum Don Quixote (1837 // 2010)



Nur platter Krämersinn kommt mit seiner schäbigen Käsewaage und will den Genius wiegen // so muß ich hier an unseren großen Daniel Chadowiecki erinnern // Er liebte Musik, Blumen und Weiber // Und den Deutschen, welche Palme bleibt ihnen? Nun, wir sind die besten Liederdichter dieser Erde // Ich bin überzeugt, bei diesem Wettgesange wird das Lied von Wolfgang Goethe den Preis gewinnen.
Will Futue is not going to future III. but to the past.
the remixes 2010.

peripetie
William S. Burroughs feat. Will Future: Cobble Stone Gardens (1976 // 2010)



1
Der See bei Nacht. Ein Sozialist sitzt am Ufer und ißt Schokolade. Jungs schlagen mit Sandalen aufeinander ein // im freien Fall winken sie einander zu // Dämmerung senkt sich über das Dorf //

Überall der Mief einer abgestandenen Vergangenheit. Sie waren verschollene Tiere an einem leeren blauen Himmel, blau wie seine Augen. //

Ein Fisch springt aus dem Wasser. //

2
In einem Zugabteil irgendwo in Frankreich. //

Der Himmel hier ist abgenutzt und so dünn wie Seidenpapier

Der Maulwurf attackiert jetzt die Reisenden //

wieder ein Tag im Eimer // Sie versprechen einem den Mond in Peru, und was geben sie einem? Scheiße. //

3
Wenn die Welt zu einem schwarzen Wald und einem Strand geworden ist werde ich dich wiederfinden //

Ein scheues Lächeln. Das ist meine Masche. //

4
Iron Foot fährt in einem cremefarbenen Rolls Royce vor. Er steigt aus und führt einen besoffenen Löwen an einer goldenen Kette //

Ich hab die Dildo-Connection in Lesbos
und das Vaseline-Monopol in Sodom
Ich bin der einzige Pusher in Istanbul
und der einzige Punk im Islam
Ich bin die einzige Bar in der Skid Row
Ich bin die einzige Nutte am Hafen.‘
Und damit könnt ihr euch einbalsamieren lassen, ihr rot-weiß-blauen Sternenbanner-Wichser aus Pfefferminz… //

pornographische Bilder von Christus // Ich hatte sie mir von Tennessee Williams ausgeliehen. //

5
‘Alles versaut. Muß mich vorsehen.‘ Carl sah eine Tube Vaseline. Er nahm einen Besenstiel und stieß sie leicht an – im gleichen Augenblick schoß eine Harpune aus der Wand der engen Zelle //

Keine Blume kein Baum kein Grashalm bis zum Horizont. //

Er starb allein, ein Fremder in einem möblierten Zimmer //

6
wir sind von der Beerdigung zurück, sehen uns die Fotos an, die Blumen, umwölkt von Trauer und Todesahnung, ‘Was wird sein wenn ich die alte immer gleiche Reise antrete?‘, ihre Worte hallen wie aus weiter Ferne herüber, aus dem zerfallenen Bungalow in Palm Beach, ‘Du warst immer so weit fort‘, die Veilchen hier sehen aus, als ob sie schwitzen, so weit fort, so viele Jahre her, der dumpfe Hauch der Todesahnung morgens um vier //

die Blumen naß vom Nebel, Straßenlärm
Will Future is not going to future II. but to the past.
the remixes 2010.

komplikation
Thomas Mann feat. Will Future: Der Tod in Venedig
(1912 // 2010)




1
Reisen also, - er war es zufrieden. Nicht gar weit, nicht gerade bis zu den Tigern // Ebenso weit entfernt vom Banalen wie vom Exzentrischen // Aber sein Lieblingswort war Durchhalten // die elegante Selbstbeherrschung //

so konnte man zweifeln, ob es überhaupt einen anderen Heroismus gäbe, als denjenigen der Schwäche. //

2
Die Absage an die Laxheit //

Bedeutende Schicksale schienen über dies meist leidend seitwärts geneigte Haupt hinweggegangen zu sein // In diesem Augenblick jedoch berührte ihn das Gefühl des Schwimmens // denn er gedachte am Meere Wohnung zu nehmen //

Es war das Klügste, den Dingen ihren Lauf zu lassen, und es war hauptsächlich höchst angenehm //

Einsamkeit zeitigt das Originale, das gewagt und befremdend Schöne, das Gedicht // nie ohne einen Anflug von Traurigkeit

3
Sie hätte die Frau eines hohen deutschen Beamten sein können // wenn aber der Wind nicht umschlug, so war seines Bleibens hier nicht // und nach Austausch einiger meteorologischer Bemerkungen empfahl sich der Manager // halb Zuhälter, halb Komödiant, brutal und verwegen, gefährlich und unterhaltend //

Die Nacht schritt vor, die Zeit zerfiel // Angst war der Anfang
Will Future is not going to future. but to the past.
the remixes 2010. 

exposition
Jacques Derrida feat. Will Future: Différance (1967 // 2010)




Ich werde also von einem Buchstaben sprechen.
Von dem ersten, wenn man dem Alphabet und den meisten Spekulationen, die darüber gewagt wurden, glauben darf // obgleich mein erster Schritt in letzter Instanz nicht zu rechtfertigen ist //

Das vereinfacht die Dinge nicht gerade und wird uns sehr zu schaffen machen, Ihnen und mir, zumindest wenn wir uns verstehen wollen // und ich benutze sie hier, wie viele andere Begriffe, nur aus Gründen strategischer Bequemlichkeit und um die Dekonstruktion ihres Systems an dem gegenwärtig entscheidenden Punkt anzusetzen. //

Man wird mich wiederum entschuldigen müssen, wenn ich mich zumindest implizit auf diesen oder jenen Text beziehe, dessen Veröffentlichung ich wagte.

Mittwoch, 17. März 2010

Michael Schumacher ist ein sehr humorvoller Rennfahrer. Er mag zum Beispiel Witze. Deshalb kauft er jedes Jahr, sobald die letzte Etappe der Formel Heinz auf den Champs Elysées beendet ist, eine Tüte Carambar. Das sind französische Kaubonbons, auf deren Papierinnenseite Witze stehen, die man lesen kann, während man den just ausgepackten Leckerbissen ißt.

So macht es der Michael auch immer und schon oft hat er sich dabei verschluckt, weil er so lachen mußte, der Michael. Das ist viel gefährlicher als Formel Heinz fahren, sagt er dann immer, wenn er sich wieder eingekriegt hat und sein Kopf noch ganz rot ist wie sein altes Auto und dann kriegt er sich nicht wieder ein vor lachen.

Aber gestern, nach der letzten Etappe in Paris war dem Michael gar nicht zum Lachen zu Mute. Er steckte sich fröhlich den Himbeerbonbon in den Mund – dann passierte es: er hatte ein Papier erwischt, das, weil es maschinell geschnitten wurde, eine Scherzfrage ohne Antwort enthielt. Die Hersteller haben sich darüber offensichtlich noch keine Gedanken gemacht, aber Michael wurde ganz traurig, denn er las:

Welches ist das traurigste Insekt der Welt?

Keine Antwort. Michael suchte wie wild in der ganzen Packung und ihm wurde ganz übel vor lauter Kaubonbons. Keine Antwort. Es gab wahrscheinlich eine sehr lustige, aber Michael mußte ganz automatisch an ein ganz kleines ganz trauriges Tierchen denken, irgendwo in einem dunklen dunklen Wald, ganz allein, ohne Freunde, ängstlich, ganz traurig, die großen Augen am kleinen Köpfchen tränenunterlaufen, es zittert.
Michael Schumacher mußte weinen, er ist nämlich ein sehr mitfühlender Rennfahrer, ja: ein Mensch.
 
















Will Future is not going to future. but to the past.
the remixes 2010
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Exposition - Komplikation - Peripetie - Retardation - Dénouement
mit den größten Hits von Jacques Derrida, William S. Burroughs, Heinrich Heine und Thomas Mann!!!
ab morgen nur hier am Kühlregal

Dienstag, 16. März 2010

Also hier war ich aber wirklich noch nie. Seltsam, So viele Autos und so viele Leute. Ich werde mal reingehen. Wow, ist das bunt. Warum guckt denn das Kind da so? Sieht man mir an, daß ich hier zum ersten Mal bin? Es lächelt und winkt mir zu. Wir sind offensichtlich Freunde. Es zeigt auf mich und zupft seiner Mutter am Rock. Sie reagiert nicht, guckt in einen Glasschrank. Ich gehe weiter zwischen den Regalen lang. Sehr interessant ist das. War eine gute Idee, mal herzukommen.

Ein Schrei. Ich drehe mich um und sehe die Mutter kreischend, das Kind am Arm, davonstürzen. Auch die anderen Leute fangen an zu kreischen. Das Kind dreht sich zu mir und sieht verängstigt aus. Ich renne los und werde es retten. Ich versuche es, der Mutter zu entreißen, beiße es dabei aber leider ins Bein. Jetzt kreischt auch das Kind und die Leute noch mehr. Verdammt, das wollte ich doch nicht.

Sekunden später ist keiner mehr da. Nur die komische Musik dudelt noch vor sich hin. Nein, dahinten ist noch einer. Ich gehe zu ihm hin. Er hat auch Angst vor mir und klettert auf ein Regal. Ich sehe Kartoffeln und Zwiebeln und bekomme Hunger. Ich ziehe einen Sack von einer Art Tisch und stoße dabei hinter mir einige Flaschen um. Rotes Wasser läuft heraus. Es schmeckt seltsam, aber nicht übel. Ich schneide mich ein wenig an den Glassplittern. Muß besser aufpassen.

Ich hab es mir gemütlich gemacht. Nach einigen Kartoffeln habe ich jetzt eine große runde Frucht aus einem roten Netz gepuhlt. Sie schmeckt sehr gut. Ein bißchen wie Grapefruit, finde ich. Ich schaue zu dem Mann auf dem Regal. Er winkt. Ich sehe vorn am Eingang viele Leute, einer hat so einen ähnlichen Anzug an wie der Förster. Er winkt auch und geht dann mit einem anderen Mann rechts aus dem Bild.

Die Gurken esse ich nicht, die sehen nicht mehr gut aus. Deshalb sind wahrscheinlich auch noch so viele da. Der Mann auf dem Regal ißt jetzt Wurst. Will ich auch. Ich muß ihn da runter locken, also gehe ich, um ihn in Sicherheit zu wiegen, mal zu dem Glasschrank, den die Frau vorhin angeschaut hat. Der Förster steht jetzt auch da. Ich stell mich vor den Glasschrank. Und zack, es raschelt auf dem Regal. Ich drehe mich um und er läßt die Wursttüte fallen. Das hat doch schon mal ganz gut geklappt. Ich drehe mich wieder weg, damit er wegrennen kann. Ohne Wurst ist er uninteressant. In dem Schrank liegen kleine Geräte, so ähnlich wie ich neulich eins im Wald gefunden habe. Es gibt aber mehrere.

In der Scheibe spiegelt sich der Förster hinter mir. Er sieht nicht richtig glücklich aus. Ist auch nicht der Förster aus der Gegend, der hier sieht netter aus. Ich glaube, ich gehe jetzt wieder. Will ja auch die anderen nicht stören. Da am Ausgang ist zu viel Gedränge, ich werde die Tür des Försters nehmen. Ich gehe auf ihn zu.

Montag, 15. März 2010

Du mußt sofort hier her kommen, Harry! Er hörte sich sehr erschrocken an.
Was ist denn passiert?
Du mußt sofort herkommen. Du glaubst mir das nie, aber wir haben ein Wildschwein hier im Supermarkt!
Wenn du mich verarschen willst, dann ist das kein guter Anfang, Jürgen.
Nein, im Ernst. Ich hab keine Ahnung, wo das Vieh herkommt, aber es ist hier und es hat ein Kind ins Bein gebissen.
… Wenn das stimmt, solltet ihr da alle raus jetzt.
Ja, ich bin ja nicht blöd. Der Krankenwagen für den Kleinen ist auch schon unterwegs.

Der Parkplatz war fast leer, nur ein paar Schaulustige waren geblieben oder extra angereist. Jürgen beruhigte eine Frau, die augenscheinlich die Mutter des gebissenen Jungen war. Im Spiegel sah ich einen Krankenwagen auf das Gelände fahren. Das Gesicht der Mutter hellte sich deutlich auf. Jürgen stürmte auf mich zu.
Gott sei Dank, los komm mit. Wir gehen hinten rein, das Schwein sitzt grad in der Gemüseabteilung.

Und tatsächlich: ich konnte es durch die Glaseingangstür am Ende des Ganges sehen. Und dahinter einen jungen Verkäufer, der sich aufs Brotregal geflüchtet hatte.
Was macht denn der da drin?
Das ist August, er ist der einzige, der nicht am Schwein vorbeigeschleußt werden konnte. Er meinte, sich relativ sicher zu fühlen da oben.
Sieht aber ziemlich verschreckt aus, der Junge.
Ich winkte ihm. Er winkte zurück.

Paß auf: wir gehen vom Lager aus rein und du schießt das Vieh über den Haufen, dachte ich.
Wieso hast du denn nicht einen Förster oder Tierarzt angerufen? Die haben doch bestimmt ein Betäubungsgewehr oder sowas.
Naja.
Was, naja?
Naja.
Was, naja!?
Ich dachte, weißt du, so ein Wildschwein im Laden und dann noch ein verletztes Kind, am Ende hat das jetzt sogar Tollwut, weißt du.
Ja und?
Ich dachte, vielleicht wäre es dann ganz gut, wenn wir hier morgen ein kleines Grillfest machen, weißt du?
Ein Grillfest?
Na, damit uns die Kunden nicht wegbrechen. Also, was ist jetzt, erschießt du das Schwein? Vielleicht nicht unbedingt, in den Bauch.
Du willst das Vieh schlachten?
Naja, Spanferkel ißt doch jeder gern. Und wo es doch einmal da ist. Also was jetzt?
Du spinnst doch, Jürgen. Ich hole jetzt den Jungen raus und du rufst den Förster an.

Das Schwein lag ziemlich friedlich vor den Kartoffeln und fraß eine trotz des Neonlichts gülden schimmernde Pomelo. Einige Flaschen waren zu Bruch gegangen und es lag gehörig Obst und Gemüse auf dem Boden. Die Gurken waren im Angebot. Ich blieb erstmal an der Lagertür stehen. Der Junge wirkte jetzt ruhiger, wahrscheinlich, weil er mich draußen in der Uniform gesehen hatte und sich in Sicherheit wiegte. Jedenfalls hatte er sich eine Tüte Minisalami geöffnet und aß sie mit einem Körnerbrötchen. Als er mich jetzt sah, lächelte er. Ich lächelte auch ein wenig.

Das Schwein schien seinen Platz nicht verlassen zu wollen. Aber der Junge hatte sich ja versorgt. Jürgen gab mir zu verstehen, daß er den Förster nicht erreichen könne und bettelte mich an, die Grundlage für das schöne Grillfest zu legen.
Du kannst auch deine Frau mitbringen, flüsterte er mir zu. Wir bewegten uns wie Indianer. Jürgen deutete einen Tanz ums Lagerfeuer an und machte eine Geste, als ob er einen Spieß darüber drehte. Ich mußte lachen.

Jetzt stand das Tier auf und ging in Richtung Kühlregal, drehte sich jedoch kurz vorher nach links und steuerte die Vitrine mit den Navigationssystemen oder was weiß ich an. Das Schwein schien sich für Heimelektronik zu interessieren, denn es blieb vor der Vitrine stehen und blickte nach oben. Ich gab August zu verstehen, daß er sich jetzt langsam von seinem Hochstand entfernen könne, er schnappte sich die Salamitüte und begann vom Regal zu steigen. Das Schwein hatte es rascheln gehört und drehte sich um. August erstarrte und ließ die Tüte fallen. Das Schwein drehte sich gelangweilt zurück zu den Mobiltelephonen. Der Junge eilte jetzt in meine Richtung und verschwand hinter der Lagertür. Ich trat einen Schritt in den Markt.

Wie ruhig es war. Die alltägliche Hektik – völlig weg. Das Wildschwein stand gebannt vor der Vitrine. Ich kann doch kein Tier erschießen, das ein Handy kaufen will, dachte ich. Die gesamte Front des Plusmarktes war verglast wie an jedem dieser Märkte halt und obwohl es kurz vor Mittag war, drang kaum Licht bis hier hinter, weil bestimmt vierzig Leute ihre Nasen an die Scheiben pressten, um das Abenteuer ihres Lebens zu beobachten. Was, wenn das Schwein jetzt Gang 3 vorsprinten würde und, wie es Tiere so tun, die Fensterscheibe übersähe? Den Schrecken in vierzig Gesichtern möchte ich sehen. In dieser gefährlichen Situation würde man von mir erwarten, daß ich die Bestie erschieße. Natürlich. Aber was, wenn ich schieße und das Schwein verfehle und die Kugel im Unterleib eines Schaulustigen landet? Ich sehe schon die Schlagzeile vor mir:

Schwerin. In Mecklenburg-Vorpommern hat sich ein Wildschwein in ein Kaufhaus verirrt und ein Kind am Bein verletzt. Beim Versuch, das Schwein zu erschießen, traf ein Polizist einen Passanten tödlich.

Na prima. Das kann ich überhaupt nicht gebrauchen, noch so eine blöde Geschichte, dachte ich.
Sie stand dann irgendwann doch auf und ging ins Badezimmer. Sie hing den Bademantel an die Wand und schaltete das Radio ein. Schon wieder hatte sie vergessen, am Vorabend die Heizung aufzudrehen, weshalb sie das Duschen auf später verschob. Als sie sich, nachdem sie begonnen hatte, sich die Zähne zu putzen, die Hände abtrocknete, weil sie es aus irgendeinem Grund nicht ertrug, dies mit nassen Händen zu tun, begannen die Nachrichten. Weil sie ein zunehmendes Desinteresse an der Welt an sich bemerkte, hatte sie einen Nachrichtensender eingestellt, um wenigstens nicht zu verpassen, wenn ein Krieg oder eine Seuche ausbräche.

Schönen guten Tag meine Damen und Herren, es ist jetzt genau dreizehn Uhr.

Leipzig. Traditionell beginnt heute der Winterschlußverkauf. Die Händler zeigten sich am Morgen zuversichtlich.

Schwerin. In Mecklenburg-Vorpommern hat sich ein Wildschwein in ein Kaufhaus verirrt und ein Kind am Bein verletzt. Ein Polizist erschoß das Schwein.

Es folgten noch einige Meldungen und so konnte sie sich sicher sein, daß wiedermal nichts geschehen war. Wetter. Verkehrsberichte. Warum senden die so eine Scheiße? Ich stehe hier ohne Hosen in einem Badezimmer, was soll ich denn mit den scheiß Staus? Und wen interessiert denn zum Montagmittag überhaupt die Verkehrslage auf mitteldeutschen Straßen? Und Wetter? Und können die Händler immer noch so zuversichtlich dreinschauen, wo jetzt der Einoderandere zuhause bleibt, weil er Angst vor Wildschweinen oder rumballernden Polizisten hat?

Michaela sagt, sie kann Sonntage nicht leiden, denn da treiben alle Leute so wie Quallen durch den Tag und was sie gar nicht mag, sind Läden, die für sie geschlossen sind.

Endlich mal ein vernünftiger Beitrag. Und dieser Montag war ihr ganz persönlicher Sonntag. Zahnpasta bräuchte sie auch mal neue. Die bewährte Taktik, gegen Ende der Tube das abendliche Putzen zu unterlassen, stieß eben immer irgendwann an ihre Grenzen.

Sonntag, 14. März 2010

Ein Land feiert M

Was für ein Tag. Ein Tag wie jeder andere. Doch irgendwas war anders an diesem ganz gewöhnlichen Sonntag. Die Massen auf den Straßen demonstrierten besinnlich vor sich hin. Etwas war geschehen. Überall Blumen und Geschenke. Hier hat doch jemand Ehrentag!? schrie ein ebenfalls ahnungsloser älterer Herr einem anderen ins Ohr. Der Lärm war ohrenbetäubend. Und der Herr taub. Aber schöne Haare hatte er.

Er hieß Hans Magnus Enzensberger, war achtzig Jahre alt und sprang rum wie ein junger Kerl, genau wie er es am Montag auf der Bühne des Goetheinstituts getan hatte. Auf einem jetzt im Strom vorbeigetragenen Transparent sah er nun, daß der verdiente Lehrer M sein vierundzwanzigstes Dienstjubiläum beging. Was für ein Fest. Völlig übertrieben. Am Abend spielte der Allan Stocker Memorial Club noch frisch auf und Hans Magnus dancete in die Nacht. Für alle war es irgendwie gut.

Freitag, 12. März 2010

Kaiserpinguine sind für ihr schickes Federkleid bekannt. Nie rutscht der Polarvogel ohne ordentlichen Smoking von der Eisscholle. Doch ein tapferer Artgenosse pfeift auf gesellschaftliche Konventionen und verzichtet auf den gepflegten „Vatermörder“.

Andrew Evans, Fotograf für das Magazin „National Geographic“, staunte nicht schlecht, als ihm der aufmüpfige Geselle in Antarktisnähe vor die Linse watschelte. Die Aufnahme des durch und durch schwarzen Pinguin machte schnell die Runde. Selbst erfahrene Biologen verschlug es beim Anblick des sensationellen Fundes die Sprache. „Die Chance eine solche Mutation zu entdeckten steht eins zu einer Myriade“, betonen die Forscher. Kein Wunder, dass der seltene Vogel im wahrsten Wortsinn auf großem Fuß lebt. „Er ist ein Monster“, scherzt ein Wissenschaftler.

Zwar zeigten mehrfarbige Vögel des Öfteren Variationen, aber, erklärt der Biologe Dr. Alan Baker von der Universität in Toronto, Melanismus sei ein extrem seltenes Phänomen. Bei dem ganz und gar schwarzen Pinguin seien Melanin-Depots an Stellen vorhanden, an denen sie normalerweise in der Natur nicht vorkommen. Gene können für diese Überproduktion des Stoffes, der Fell oder Federn färbt, verantwortlich sein. Aber auch andere Faktoren sind als Ursachen für den ungewöhnlichen Dress des Vogels nicht auszuschließen.
Das Phänomen ist bei Pinguinen so selten, dass es bisher keine Forschungsarbeiten dazu gibt. Wie auch immer – Was die polare Mode-Szene betrifft kann man festhalten: Der „Casual-Look“ steht auch adretten Pinguinen gut zu Gesicht.

Zitiert nach: http://de.news.yahoo.com/34/20100311/tod-von-wegen-schwarzes-schaf-ein-pingui-045b8e8.html, letzter Zugriff: 12 / 03 / 2010.

Den Finderlohn heimste die emsige, zwitschernde Mademoiselle Suzanne ein.
Ein wütendes Fax auf dem Schreibtisch läutet den Tag ein. Es enthält übelste Beschimpfungen, die nicht für die Öffentlichkeit taugen (du Gossenjunge, häßlicher Hobbit), aber eben leider auch – und das muß man zugeben – einen Kern Wahrheit. Das Fax stammt von der Band Bananarama; sie beschwert sich darüber, daß in der gestrigen Berichterstattung über die Verleihung der goldenen Pomelo mit keiner Silbe erwähnt wird, daß Bananarama den Preis für die beste Gruppe (Die Weintraube) übergeben hat. Deshalb hier noch einmal alle Preisträger:

Die Goldene Pomelo in Gold für die Frucht des Jahres erhielt die Pomelo. „Ich danke meinen Eltern, Apfelsine und Pampelmuse, und ich danke Gott-
fried Obst- und Gemüsetransport für all die schönen Reisen.“

Die Ehrenpomelo fürs Lebenswerk ging an den Apfel, der sich in einer rührenden Rede von seiner gewohnt beiläufig-charmanten Seite zeigte. Daß er in seiner langen Karriere zuweilen auch giftig zu Kollegen geworden war, spielte auf dieser Preisverleihung naturgemäß keine Rolle.

Erste afroamerikanische Preisträgerin ist die schwarze Johannisbeere, die mit der von der Stadt Berlin gestifteten Goldenen Beere ausgezeichnet wurde.

Als in der Kategorie Crossover mit dem Multivitaminsaft erstmals in der Geschichte des Festivals ein Saft prämiert wurde, drohte die Stimmung im Spiegelsaal von Versailles zu kippen. Ernstere Zwischenfälle konnten verhindert werden. Einige Tomaten flogen, weil sie als Störenfriede ausgemacht wurden, aus dem Festzelt.

Die goldene Kartoffel für die völkstümliche Frucht des Jahres erhielt überraschend der Rettich.

Zur exotischen Frucht des Jahres (national) wurde völlig zu recht der Kohlrabi gewählt, der Zentralrat der Juden gratulierte live per Videoschalte.

Über die mit Spannung erwartete Entscheidung um die Auszeichnung für die orange Orangenfrucht des Jahres (nominiert waren die Apfelsine, die Clementine, die Mandarine, die Orange und die Möhre), freute sich am Ende die Mandarine, die Clementine reagierte sauer.

Insgesamt ein wundervoller Abend mit verdienten Preisträgern, einzig die Erdbeere schien von der Jury ein wenig übergangen worden zu sein, wohl aber, so hieß es unter vorgehaltener Hand, um im nächsten Jahr umso mehr auf dem Präsentierteller zu landen.
Am Abend wurde erstmals die goldene Pomelo auf einer Gala in Paris verliehen. Mit diesem neuen und zugleich größten Medienpreis Asiens wird von nun an jährlich die Frucht des Jahres ausgezeichnet. Erste Preisträgerin ist die Pomelo. Für sein Lebenswerk ausgezeichnet wurde der Apfel. Beide waren persönlich anwesend und nutzten diese Plattform, um auf die Gefahr des globalen Obstsalates aufmerksam zu machen. Am Büffet sprach Volker Abramczik dann aus, was viele an diesem Abend gedacht hatten: „Ich will keine Karotten, ich will Möhren.“
Die Gala, zu der alle Früchtchen Hollywoods eingeladen waren, bildet den Auftakt für ein Festwochenende, an dessen Höhepunkt am Sonnabend in der französischen Hauptstadt noch der goldene Waschbär verliehen wird. Dabei zeichnet eine internationale Jury um Will Future den Waschbär als Tier des letzten Jahrhunderts aus. Den zweiten Preis, den goldenen Waschbären in Silber, gewinnt das Eichhörnchen. Er ist mit einen 20-Euro-Gutschein bei der Zoohandlung Schramm in Meißen dotiert.

Donnerstag, 11. März 2010

Der Schaumelephant

Sie trägt heute schon wieder das weiße Frettchen um den Hals. Das mit den weißen Bändern untendran (Grüße an Herrn Haneke!). Heute kombiniert mit dem bekannten türkisenen Pullover.
Lady Macchiato schmeckt sehr gut.
Milchschaum ist die Pest des 21. Jahrhunderts.
Die eine Journalistiktussi hat tatsächlich eine graue Plüschfedermappe (als ob Federmappe nicht schon reichen würde) mit einem – Achtung, jetzt kommt’s – Plüschelephantenkopf dran.
Sind Plüschelephanten der Milchschaum unserer Zeit?

Schaumelephant. Mmmh. Klingt unheimlich gut. Groß, cremig, süß, eklig herrlich. Eine Lady Macchiato und einen Schaumelephanten bitte, junger Mann. Drei Mark Fünfzig, junge Frau. Hier. Wollen Sie fünfzig Pfennig dazu? Nö, danke, geht so. Den Elephanten to go? Nein, auf einen Teller, bitte. Dann können Sie sich setzen. Ich bringe Ihnen alles an den Platz. Gut, dann setze ich mich da hinten in die Ecke ans Fenster. D’accord. Bitte? Verzeihen Sie: das war Französisch. Ach so. Wuhlewukuschee awegtoa? oder wie das heißt. Ähem, so ähnlich. Was heißt denn das eigentlich? Ich komme gleich an Ihren Tisch und erkläre es Ihnen. Bis gleich. Bis gleich.

Voilà, ihr Heißgetränk begleitet von einem Elephanten aus Schaum. Wollen Sie mit mir schlafen? Ja gern, aber wie kommen Sie denn jetzt da drauf? Ähem. Also, eigentlich war das jetzt nur die Übersetzung von „Voulez-vous coucher avec moi?“ Sie sagten übrigens vorhin: Wollen Sie nicht mit sich schlafen? Hihi. Und? Wollen Sie? Weniger. Zumal Sie sich ja eben bereit erklärten, mich dabei zu unterstützen. Jetzt aber ab an die Arbeit, junger Mann!

Halt! Geben Sie sofort meine Hose wieder her! Ich meinte doch ihre wirkliche Arbeit: da stehen zwei Personen undefinierten Geschlechts an der Theke. Ach so. Drücken Sie sich doch gelegentlich präziser aus. Ich bin verwirrt.

Muß man sich seinen Schaumelephanten hier selbst zapfen? Entschuldigen Sie bitte, ich bin sofort bei Ihnen! Ich helfe der Dame nur noch in ihr Beinkleid. Danke. Geht schon. Da bin ich: Guten Tag. Guten Tag, einen Schaumelephanten bitte. Sehr gern, Vollmilch oder – ZARTBITTER! ich hasse Vollmilch! Wie Sie wollen. Sur place oder to go? Zartbitter, ich sagte es bereits. Ach so, und bevor Sie fragen: zum Mitnehmen bitte. Soll ich es als Geschenk einpacken? Das wäre extraordinaire, Monsieur. Ist es für eine Dame oder für einen Herrn. Es ist für mich. – Ist es für eine Dame oder für einen Herrn? Es ist für mich.- Also eine grüne Schleife!? Das wäre himmlisch. Ist der Himmel nicht eigentlich blau? Auch irgendwie wahr, aber grün ist schön. Na hören Sie mal, Sie sind ja ein Poet! Das stimmt [verlegen], jedoch nur zum Teil. Poet bin ich nur Montag bis Mittwoch. Und den Rest der Woche? Da bin ich verhindert, aber am Zwölften hätte ich Zeit. Gegen halb vier? Ja, das ginge, da habe ich meine Raucherpause. Treffen wir uns am Bahnhof!? D’accord. Gleis 7!? Sie werden mich an meinem Gesicht erkennen, wo Sie mich jetzt hier gesehen haben. Ja, das scheint mir ein gutes Zeichen zu sein. Ich werde eine Sonnenbrille tragen. Das tue ich immer am Zwölften, doch dies nur in Parenthese. Soll ich ein kleines Schildchen mit einem Gruß an Ihren Elephanten hängen? Na hören Sie mal, wir sind hier in einer Konditorei, Sie Ferkel! Oh, entschuldigen Sie, ich meinte das wörtlich. Ach so! Ja.. Dann schreiben Sie einfach meinen Namen drauf. „Von“ oder „für“? Hmmm. Gute Frage. Mir ist es gleich, wie Sie wollen. Ach wissen Sie, schreiben Sie einfach: „Zum Sterben zu schön“. Ja, das hör ich oft.. Tatsächlich!? Dann vielleicht… meine Telephonnummer! Ja, das ist was ganz Besonderes [verdreht die Augen, innerlich]. Na, dann lassen Sie mal hören! Also fünf drei sieben halt. Die Vorwahl zuerst: null null sieben null. Dann fünf drei sieben Doppel-vier – witzig! Wo wir uns doch halb Vier treffen! Im Gegensatz zur Doppel-vier! Also am Zwölften jetzt. Das gibt’s doch nicht! Raten Sie mal, womit die Nummer endet! Acht? Nein! Zwölf! Ist es Schicksal oder Stochastik!? Für einen Konditor haben Sie’s ja ganz schön drauf, ich hoffe, der Schaumelephant hält auch, was er verspricht. Fragen Sie doch die Dame da hinten am Fenster. Da ist niemand. Doch. [sich über den Tresen beugend] Oh, wahrscheinlich ist sie sich grad frischmachen. Ich sehe aber auch keinen Schaumelephanten auf ihrem Teller. Sehen Sie, schon verputzt! Was bekommen Sie von mir? Fünf Mark. Hier haben Sie neun. Und voilà: Ihr Geschenk. Ich bin schon ganz gespannt. Sieht aus wie ein verpackter winziger Elephant, würde ich sagen, guten Tag auch von meiner Seite. Guten Tag, was darf es denn für Sie sein? Nun, eigentlich wollte ich ja ein Stück Eierschecke. Sehr gern. Aber jetzt habe ich den Schaumelephanten solange angesehen und bin unsicher. Wir haben alle Zeit der Welt, gnädige Frau. Wissen Sie was, ich nehme ein Bier sur place und reflektiere noch ein wenig. Vom Faß? Wie immer.

Bitte sehr, ein großes Dunkles. Vielen Dank. Hätten Sie auch Zettel und Stift für mich? Ach, das hätte ich vielleicht den Dichter von eben fragen sollen. War das überhaupt ein Mann? Ich bin mir da nicht sicher. Ich auch nicht. Ach, deshalb die peinliche Pause vorhin. Meinen Sie, daß er oder sie das bemerkt hat? Ja, nun. Also ich bringe Ihnen Papier. Danke.

Bitte sehr. Gehen Sie jetzt auch unter die Schriftsteller? Neihein. Ich möchte eine Pro-contra-Liste Eierschecke vs. Schaumelephant machen. Haben Sie schon Kriterien für den Vergleich? Das habe ich gar nicht bedacht! Ich bin so unsystematisch. Das sagen auch meine Kinder immer. Gut: Farbe, Preis, Gewicht. Volumen. Zuckergehalt. Bauchgefühl. Kombinationsmöglichkeiten.. Also zu Schwarzbier passen beide nicht, so viel ist schon mal sicher. Sagen Sie, Sie wollen wohl gar nichts verkaufen!? Oh ja, Sie haben recht: beide passen hervorragend zu Bier! Dann bringen Sie doch gleich mal noch eins! Gerne.

Ah, Sie sind ja von der Toilette zurück. Na hören Sie mal, bestimmt schon seit zehn Minuten. Nein, mit Ihnen spreche ich doch gar nicht, junge Frau. Ich meinte unseren.. unsere.. unser Genie! Mich? Ja, wer ist denn von uns Vieren hier das Genie? Na gut, wenn ich mich hier so umsehe – verzeihen Sie – bin das wohl ich. Prost! [Glas erhebend] Für mich bitte noch einen Tee. Mit Milch? Nein. Gut.

Ach so! Die Sorte!? Ja, Sie haben recht. Pfefferminze bitte. Gerne. Für Sie noch etwas? Ja. Eierschecke hat elf zu zwölf gegen den Schaumelephanten gewonnen. Beachtlich. Bekommen Sie. Vielleicht noch ein Bier? Nein, ich habe noch. Aber einen Tee nehme ich auch noch. Pfefferminze? Thüringer Kräutermischung! Ausgezeichnete Wahl. Ich weiß.
(01 / 02 / 2010)

Mittwoch, 10. März 2010

Im Vorjahr wurde das letzte Iphone von Bertolt Brecht in der Metro in Montreuil gefunden. Es ist tiefrot und enthält die letzten Gespräche, SMS und MMS sowie einige selbstgedrehte Clips des ehemaligen Bürgers der DDR. Nachdem der Historiker und Brechtforscher Dr. Drake Mallard (Paris) die Daten gesichtet und ausgewertet hat, erscheinen nun Brechts letzte Zeugnisse in einer aufwendigen Sammleredition. „In den Textbotschaften, aber auch den Videoclips zeigt sich stärker als bisher vermutet Brechts Nähe zur Philosophie des Spaniers Alemán Volquesmunde.“, so Mallard. Volquesmunde hatte vor allem nach dem Lehrsatz „Gut Ding will Weile haben“ (im Original: „Vamos à la playa o o o o o“) gelebt und so heißt auch der neue und wohl letzte Brechtband nach einer Mitteilung an seine Frau „Kurt Weill will Dinge haben“.
(Éditions d‘Ennui, ab April 2010, um 45 Euro)

Dienstag, 9. März 2010

Helmut Fritz und Eric Rohmer gehen in eine Bar. Es regnet, also müssen sie mehr trinken als sonst. Da kann man nichts machen. Eigentlich regnet es sehr oft in der Gegend, weswegen die beiden oft in der Bar sind. Es ist dort schön warm und die Wände sind trocken. Das nervt Helmut aber auch schon wieder ganz schön, das mit den trockenen Wänden. Überhaupt nervt ihn ziemlich viel, findet Eric. Daß er das jetzt sagt, nervt Helmut tierisch und das schreit er auch laut durch den Raum. Der Bartender stellt ihm einen Tadel aus, den er sich am Tresen abholen kann, wenn er geht. Aber das wird noch ein wenig dauern bei all dem Regen. Muß man sich ja aufregen, schreit er gleich hinterher. Zweiter Tadel. Langsam ist Eric auch genervt.
(17 / 09 / 2009)
Scheiße Sie recht herzlich willkommen!