Dienstag, 30. August 2011

Philipp Lahm: Schulter gebrochen

Der Kapitän der Nationalmannschaft fällt wahrscheinlich fürs Länderspiel am Freitag aus. SCHULTER GEBROCHEN lautet die Diagnose des Teamarztes, eine Woche liegt Lahm wohl flach. Dabei hatte der Länderspieltermin so gut begonnen: „Als Abendbrot gab es Schweineschulter und Sauerkraut. Das ist mein Lieblingsessen!“, ließ Lahm über seinen Pressesprecher verlauten. „Aber dann hab ich in der Nacht ganz dolle Bauchschmerzen bekommen.“

Bastian Schweinsteiger, Lahms Zimmerkollege, habe daraufhin Lahms Mutter angerufen. „Ich bin wach geworden, weil der Philipp so gewimmert und geschluchzt hat. Und dann bin ich vom Doppelstockbett runtergeklettert und dann, und dann hab ich den Philipp da liegen gesehen. Der hat geweint!“, so Schweinsteiger.

Daraufhin habe er unverzüglich angerufen, „wie wir es beim Herrn Löw gelernt haben.“ Es dauerte jedoch ca. fünfzehn Minuten, bis Lahms Mutter aus dem Nachbarort, in dem sie zufällig weilte, eintraf. „Da hatte der Philipp sich dann schon vollgebrochen und dann, als die Frau Lahm da war, hat er nochmal gebrochen. Die ganze Schulter vom Abendbrot!“ Lahms Mutter bestätigte, daß das Sauerkraut tatsächlich „drin geblieben“ sei.

Sie habe dann den Zimmerboden gewischt und ihrem Sohn seine Lieblingsbettwäsche bezogen, sodaß er schließlich in den Schlaf fand. Schließlich schrieb sie noch eine Entschuldigung für ihren Sohn (siehe unten). „An Fußballspielen ist jetzt natürlich erstmal nicht zu denken.“

Schweinsteiger, der einen leichten Schock davontrug, bekam heute ebenfalls trainingsfrei, soll aber durch ein ausgeklügeltes Schlafprogramm bis Freitag wieder fit werden.


Will Future druckt hier exklusiv Frau Lahms Brief an Jogi Löw ab:


Sehr geehrter Herr Jogi,

mein Junge kann zur Zeit nicht zum Fußballtraining kommen. Es geht ihm gar nicht gut. Ich weiß nicht, warum Sie ihm gestern zum Abendbrot Schweineschulter gegeben haben, aber er hat letzte Nacht zweimal gebrochen und muß sich jetzt ausruhen.

Ich möchte Sie daran erinnern, daß wir zwei Dinge ausgemacht hatten: 1. Sie informieren mich, wenn was mit dem Philipp ist und 2. Kein fettiges Abendessen.

Bitte kommen Sie Ihrer Aufsichtspflicht besser nach! Es kann doch nicht sein, daß der Basti mich mitten in der Nacht anrufen muß, weil es dem Philipp schlecht ist! Gut, daß ich mich im Nachbarort für den Notfall einquartiert hatte. Nicht auszudenken, was sonst…

Wenn Sie mich in Zukunft nicht früher – und zwar persönlich – informieren, kann ich Philipp nicht mehr zu den Länderspielen schicken.

Tut mir leid!

Die Mutti vom Philipp

Montag, 29. August 2011

Die Kunst des Beinebaumelns

Oder: Reime – baumeln und baumeln lassen

Liegen haben kurze Beine.
Betten aber meistens auch.
Menschen, Modells, Rehe nicht so.
Lacht man sie deswegen aus?

Ihre Beine bis zum Boden
stehend, sitzend, überhaupt.
Könn‘ nicht ansatzweise baumeln,
sehen dabei traurig aus.

Von Kindesbein‘ an wird gebaumelt:
Füße frei, Mundwinkel rauf.
Glücklich, wer sich’s kann erhalten
und einssiebzig nur anhaucht.

Freitag, 26. August 2011

Ein Ort, der keiner ist

Oder: Marc Augé, ich grüße dich!

In Wurzen steht ’ne Tankstelle,
die kein Benzin verkauft.
Ihr Heimatland: tot seit ’ner Weile,
doch sie ist noch nicht abgetaucht.

Die Säulen weg, kein Auto mehr.
Es steht da heute Stein an Stein.
Für Sterbende der DDR
muß es jetzt ein Steinmetz sein.

Und fehlt fürs Sterben noch das Geld,
liegt gegenüber ein Lokal.
Ein Eis ist schließlich schnell bestellt
und dann zur Not auch noch bezahlt.

Der Mehrheit wird das nicht gefallen:
Vergangenheit, Tod, Softeiskrem.
Dazwischen liegt die Bundesstraße.
Nur durchfahren, gucken, nicht hier leben.

Mittwoch, 24. August 2011

DFB stößt kein CO-20 mehr aus

Der Deutsche Fußballbund (Dachverband der Sportarten Fußball und Frauenfußball) engagiert sich im Umweltschutz. „Wir haben uns von unserem Präsidenten getrennt“, verkündete am Abend Pressesprecher Andreas Brehme. „Es ging ja hier nicht nur um CO2, sondern um viel gefährlichere Substanzen!“ Brehme betonte weiterhin, daß man sich schon eher getrennt hätte, wenn der DFB früher über das Brisanzthema Bescheid gewußt hätte.

„Wir wissen nichts davon oder jedenfalls sage ich nichts“, äußerte sich gestern Bundestrainer Pussi Löw. Ehrenspielführer Michael Ballack hingegen gestand gegenüber der Sportbild: „Man hat zwar nie etwas Verdächtiges gehört, aber es lag schon länger was in der Luft.“

Nun wurde bekannt, daß DFB-Präsident Ceo Zwanzig vorsätzlich Ohropax (offizieller Partner der deutschen Nationalmannschaft, der Frauen aber nicht) während seiner Auftritte verteilte. „Fanden wir normal“, so Brehme: „Er gab ja eh nur heiße Luft von sich.“ Außerdem hörten die meisten Spieler sowieso Musik während der Reden des Präsidenten. „Das ist Usus und bei meinen Ansprachen nicht anders.“, so Löw. „Ja, die meisten schon. Aber ich höre eigentlich immer Bibi Blocksberg-Geschichten. Meine große Schwester hat mir ihre Kassetten auf meinen Ipod draufgespielt!“, zeigt Philipp Lahm uns stolz sein Display.

„Daß Ceo Zwanzig allerdings die Ohropax, die ja offizieller Partner der deutschen Nationalmannschaft sind - der Frauen natürlich nicht – verteilte, weil er unkontrolliert Methan ausstieß, konnte doch keiner ahnen!“ Pressesprecher Brehme stockt bei diesen Worten. „Und daß es dann auch noch das gefährliche hochkonzentrierte CO-20 ist, daß er täglich in die Umwelt preßte…“ Brehme weint ehrliche Krokodilstränen, die anwesenden Journalisten zeigen aber natürlich kein Mitgefühl. Das ist vorbildlich, denn so haben sie es gelernt.

Ceo Zwanzig wollte sich zu dem CO-20-Skandal nicht äußern: „Ich kann nicht alle Furze lang Interviews zu irgendwelchen umherwehenden Gerüchen geben.“ Gerüchen? Ein pawlowscher Versprecher? Hätte es nicht „Gerüchten“ heißen müssen? Der DFB hat dazu gestern eine Task Force (Vorsicht: Wortspielfalle!) in Darmstadt gegründet.

Montag, 22. August 2011

Schönes Wochenende







VII

The streets are dark and because of the fucking all-day-rain they are fucking wet too. The fog makes everything grey and I cannot see anything except of the banc under the lantern. In the background there seems to be a bar or something that seems to be a bar. But nobody in the streets. I wish I was in the warm bed of Daisy. But now she’s dead and I’m here in the fucking fog, the finger on the trigger. Why do I have to wait for this guy? It is me people have to wait for. Wasn’t this a shadow in the shade next to the old chemist’s where I used to buy pills for mom some thirty years ago. A guy appears. Shabby, drunken but clear in his eyes. Parker. I hated him since the first day. Only once more I need his help. I press him on the wall, my forearm on his chest.

Where is Agent M?

I shout because there is nobody who would concern about it.

I think it’s Bakerstreet. It has always been there.

What the fuck?

I press stronger and I even shout louder.

H&M. It’s Bakerstreet as it always was. Even in our youth.

This damned idiot is so fucking stupid.

Do you really think I meet you three o’clock in the morning to ask you where is H&M?

I’m beside me.

I’m looking for Agent M!!

Pardon, I misunderstood. But why do you think I do know anything? I’m out of bizz for years.

My finger on the trigger gets stronger. I do not have time for this fucking shit. An old lady passes the street. If she had a hat I would promis she was the Queen.

Good morning, mam. Excuse me, do you know the whereabouts of Agent M?

Immadiately and without any anouncement she shots Parker. Before saying Come on she finishs murmuring but I did not shot the deputy.

Come on. There is even a lot you have to learn, fellow. ...






Please mind the Kommentar of the Will of the Future (and the gap, of course):

Der Text ist alt! Und gar nicht von dir! höre ich einige sagen. Das ist ein Auszug aus Danois Fumés Unvollendetem. So stand es jedenfalls im vorletzten Jahr in Two Knights in Paris. Aber was soll ich sagen: Danois Fumé ist eine Salamisorte von Monoprix und diente mir nur als Pseudonym. Weil er als englischer Text nicht in mein Œuvre paßte, gab ich vor, er sei nicht von mir. Doch ich, Will Future, habe ihn geschrieben.

Warum eigentlich englisch? werden andere fragen. Nun. Wie bei allen Texten hier, ist nur ein kleiner Kern Anlaß für viel Füllmaterial und der ist hier ein Wortspiel, das im Deutschen nicht funktioniert. Die Fiffikusse unter Ihnen haben es bereits bemerkt, den Zurückgebliebenen sei das Lautlesen der Dialogpassage mit dem bondmäßigen Bekleidungshersteller empfohlen, Anm. d. W.F.

Für die neue Edition habe ich mir erlaubt, eine kleine Änderung im Text vorzunehmen. Der- oder diejenige, der oder die sie findet, erhält ein exklusives Überraschungsgeschenk. Viel Erfolg!

Mittwoch, 17. August 2011

Ein Bäcker wie er im Buche steht

Thomas Schulze ist seit 25 Jahren im Geschäft
Biep – biepbiep – biiiep. Der Wecker reißt mich aus dem Schlaf und beendet die Nacht. Ich schlurfe ins Bad, mit nahezu geschlossenen Augen, man kennt ja den Weg. Vor lauter Müdigkeit verfalle ich in Zähneputztrance und putze immer weiter, bestimmt zehn Minuten, bis gar kein Schaum mehr da ist. Die Hose von gestern und das erstbeste Hemd geschnappt, beschließe ich, die Küche links liegen zu lassen und direkt zum Bäcker zu gehen. Die Straßen sind noch ziemlich lehr und nach dreivier Minuten Fußweg überquere ich den Lindenweg und bin schon da: Bäckerei Schulze. Die Tür ist verschlossen, drinnen brennt kein Licht. Ich schaue auf meine Armbanduhr, es ist kurz vor halb drei.

Als in der Ferne ein Kirchturm halb drei schlägt, den ich noch nie gehört habe, öffnet sich pünktlich der Nebeneingang der Bäckerei. Der Chef begrüßt mich freundlich: „Immer rein in die gute Stube!“ Er scheint deutlich wacher zu sein als ich, was allerdings auch kein Kunststück ist, wie er mir zu verstehen gibt: „Soll ich Ihnen einen Arzt rufen?“, zieht er mich auf. Er selbst ist seit zwei Stunden wach und schenkt uns jetzt Kaffee ein. In der Backstube läuft relativ laut Musik. Gute Musik. „Das ist ein großer Vorteil: Wenn ich mit der Arbeit beginne, sind die ganzen Idioten vom Frühstücksradio noch in der Heia.“

Bäcker Thomas Schulze steht seit seinem neunzehnten Lebensjahr in der Backstube auf der Carolastraße. „Nächstes Jahr haben wir Silberhochzeit“, sagt er und freut sich darüber, daß er damit nicht sich und seine Frau meint. „Nee, die kenn ich noch gar nicht so lange.“ Schulze hat die Bäckerei von seinem Vater übernommen, der sie in den siebziger Jahren gründete, als das Viertel noch ein lebendiges Nachtleben hatte. Oft seien da Nachtschwärmer in der Backstube gelandet und hätten sich die Finger verbrannt, weil sie die Brötchen direkt vom Blech weg essen wollten, erzählt der heutige Chef und man spürt die Nostalgie in seinen Worten.

Wir ziehen beide Schürzen an und schon steckt der Bäckermeister bis zu den Ellbogen in einer sehr großen Schüsseln mit Teig. „Das werden die Roggenbrötchen, da muß der Teig relativ lange ziehen. Deswegen mach ich die zuerst.“ Als nächstes geht es an den hellen Teig für die Doppelbrötchen und einfachen Semmeln – „unsere Topseller!“, schmunzelt Schulze. Er verkaufe mittlerweile sehr viel mehr dunkles Brot und Vollkornprodukt als früher, aber die Klassiker seien nach wie vor sehr gefragt.

Sehr gefragt sind in der Bäckerei auch die Kuchen des Chefs. „Ich backe da nix Weltbewegendes“, sagt er zwar, aber die Menschen im Viertel wissen genau, wo man ein vernünftiges Stück Zupfkuchen oder Erdbeertorte bekommt, wenn Oma mal zu Besuch ist. „Viele Leute nervt es, daß sie nur noch diese überall gleichen Backshops finden.“ Ein Ehepaar käme sogar vom anderen Ende der Stadt zu ihm, verrät Thomas Schulze ein wenig stolz. „Einige meiner Freunde hat es mittlerweile ins Ausland verschlagen. Aber wenn die Weihnachten mal da sind, kommen sie sofort hier her!“ Dann gebe es sogar manchmal noch Nächte mit partyartigen Zuständen in der Backstube, wie sie Thomas Schulze von den Erzählungen seines Vaters kennt.

„Vorsicht!“ Ich zucke zusammen, bin ich etwa weggedöst? Thomas Schulze lacht. Er zieht ein heißes Blech aus dem riesigen Ofen und trägt es an mir vorbei nebenan in den Ladenraum. „Ich wollte Sie nicht erschrecken“, versichert er mir. Seine Kollegin komme immer erst halb sechs und da habe er es sich angewöhnt mit der Stille in der Backstube einen Kampf auszutragen. Das Qualitätsradio sei da nur eine Möglichkeit. „Wissen Sie, zwischen zwei und vier liegt die Stadt in meiner Hand und ich schrei, ich schrei. Ich schrei so laut ich kann!“

Thomas Schulze brüllt gerade ein Blech Weißbrot an, als ich ihn frage, ob er nicht einsam sei, weil ihn sein Tagesrhythmus von vielen anderen abschirme. „Ich kann sehr gut Mitmenschen umgehen, das stimmt. Aber wissen Sie, die meisten davon sind doch eh bescheuert.“ In diesen Worten liegt keinerlei Emotion. „Das ist einfach so.“ In seinem unmittelbaren Umfeld allerdings fühle er sich sehr wohl. Er schlafe meist von Nachmittags um Vier oder um Fünf bis kurz nach Mitternacht. „Da kommt doch eh nix Gescheites im Fernsehen“, lacht er jetzt wieder.

Als Heidi Müller den Laden betritt, ist es schon eine Weile hell. Auch sie wirkt keineswegs müde oder gar morgenmufflich. Alle Handgriffe sitzen, Schulze und sie sind ein eingespieltes Team. Innerhalb von zehn Minuten sieht der Laden aus, wie ein Laden auszusehen hat. Es ist kurz vor halb sechs, Schulze gießt uns drei Tassen Kaffee ein, auch „weil die Kunden den Geruch erwarten.“ Zwei Männer im Blaumann warten schon vorm Schaufenster, die Kirchturmuhr, die ich jetzt seit drei Stunden kenne, schlägt. Die Tür öffnet sich. Biep – biep - biep. „Guten Morgen!“

Montag, 15. August 2011

Hy und Ai

Stadt ohne Gesichter

Sich blind durch die Stadt tastend
erahnt er mehr als er erblickt
konturlose, sich bewegende Flächen.
Einige scheinen nur ihre Farbe zu ändern,
andere gehen die Bürgersteige entlang.
Unterschiede kann er zwischen ihnen nicht ausmachen,
so kalt wie die einen sind auch die anderen.

Eine blonde Fläche schiebt sich ins Bild.
Er möchte zu gern etwas erahnen.
Doch ob sie ihn ansieht, kann er nicht erkennen.
Keine Augen, kein Mund, keine Nase.
Nur oben blond und dann ein weit ausgeschnittenes Grün.
Er versucht erneut, genauer zu schauen,
doch darauf fällt sie schon lang nicht mehr rein.

Er dreht sich nach ihr um und
die Fläche wird kleiner und kleiner.
Alle anderen interessieren ihn nicht.
Er wartet auf eine gelbe Fläche
und läßt sich von ihr nach Hause fahren.
Sie rattert vor sich hin zwischen grau und grau,
daß man das Grüne beinahe vergißt.

Freitag, 12. August 2011

Frühling, Scheiße, Herbst und Winter


Von wegen alles grau und keine Sonne, wär ja gelacht.

Seien wir ehrlich: es war nur eine Frage der Zeit.

Manch einer wird es noch gar nicht bemerkt haben: Will Future ist seit Neuestem weltberühmt. Deutschlands renommiertestes Monatsmagazin mit Sitz in Hamburg hat es sich nicht nehmen lassen, als erster medialer Globalplayer einen Text von Will Future zu zitieren und als „Herzerfrischend und vom [sic!] öden Statements ablenkend“ zu bezeichnen. Stark.

Hier der vollständige Artikel:

Die FIFA Fußball-WM der Frauen 2011 sollte ein „Sommermärchen“ werden. So hatten es sich zumindest die Marketingstrategen hübsch in Hinblick auf viel Kohle und zukünftig mehr weibliche Vereinsmitglieder ausgedacht. Und bis zum Viertelfinale glaubten auch alle an ein zweites deutsches „Sommermärchen“: Kaum einer schrieb ernsthaft über Lesben, gar über Schwule im Profifußballsport. Die Berichte über den Familienstand der Spielerinnen und Trainerinnen verstummten rasch: „Der Fußball ist ihre Lebensgefährtin!“, war der gemeinsame Tenor der Medien. „Unsere“ Mädels spielten prächtig. Die Strategie der Veranstalter schien aufzugehen, Homosexualität bloß keinen zu großen, dem real entsprechenden Stellenwert im Frauenfußball zu geben. Die Medien schrieben sich die Finger wund und leuchteten in „nie dagewesener Offenheit“ in den „letzten Winkel der Frauenkabinen“. Auch das ein oder andere „Sie liebt eine Frau“ kam dann doch zutage, das Wort lesbisch aber selten über JournalistInnenlippen. Noch im Dezember griff Welt Online ein Interview von Torhüterin Nadine Angerer auf und merkte an, „ dass sie sich nicht auf Männer oder Frauen festlegen will“. Na gut, „die Nummer eins der Welt“ (FAZ) ist eine Bisexuelle. Dafür hat ihre Stellvertreterin Ursula Holl ihre Lebensgefährtin letztes Jahr sogar geheiratet. Schön brav, na bravo! Nun lobte jede jeden und umgekehrt. Und wir alle lernten, was wirklich wichtig ist: „Die Trendfrisur heißt Pferdeschwanz“. Schöne heile Frauenfußball-Welt.
Kaum einer schrieb über Schwule im Männerfußball. Und Bundestrainerin Silvia Neid war plötzlich, eh man sich versah, die neue Mutter deutscher Nation. Selbst meine Mutter, auf dem Land lebend und bisher nie als fußballliebend aufgefallen, saß regelmäßig vor der Glotze und kommentierte zuletzt in einem Telefonat mit mir „die perfekt sitzenden Hosen von Frau Neid“, bei der man so gar keinen Slip sähe. Bitte was? Es ist zum Kotzen! Dafür habe ich nicht gekämpft! Wenn da mal bei meiner Mutter kein Neid im Spiel war…
Millionen mehr oder wenig sportlicher Sesselfurzer und Bierstammtische ewig gestriger Ultras von Helgoland bis Görlitz und von Köln bis Dresden hatten den Frauenfußball plötzlich lieb. Und damit Basta! Nach den ersten TV-Rekorden plante die ARD laut BILD-Zeitung gar, „Frauen-Fußball künftig in der Sportschau am Samstag zu zeigen“. Um das zu ermöglichen, „werde über eine Veränderung des Spielplans diskutiert“. Schöne neue Fernsehwelt.
Dann kam das jähe Aus: 16,95 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer sahen im Fernsehen die „echt schockierende“ Niederlage der deutschen Fußballdamen gegen die Japanerinnen. Nur die Einschaltquote war WM-Rekord. Die FAZ kommentierte: „Athletinnen ohne Ideen.“ ...danach verwandelte sich die Elf zunehmend in ein Kollektiv an Athletinnen, das den Gegner zwar in dessen Ballbesitz zu bearbeiten verstand, im eigenen Ballbesitz das Spielgerät aber meist lediglich hoch und weit über ein Feld zu schlagen wusste.“ Ach ja? Unsere Nationalmannschaft war eher am enormen Erwartungsdruck von allen Seiten „gescheitert“ als an ihrer sportlichen Gesamtleistung. Apprupt geriet auch die Vermarktungsstrategie für den deutschen Frauenfußball ins Stocken. Dies ist wahrlich kein Ruhmensblatt, zumal die FIFA Fußball-WM der Frauen sowieso bei Werbung und Vermarktung Lichtjahre hinter der der Männer-WM lag. Ziemlich unsouverän reagierten fast alle: die Medien, der mächtige DFB, die noch mächtigere FIFA und die Bundestrainerin höchstpersönlich. Von einem auf den anderen Tag verfiel Deutschland fast wieder in alte, männlich dominierte Fußballzeiten zurück.
Wer hat überhaupt ein „Sommermärchen“ erwartet? So ein Schwachsinn! Die Verbände wollen – und das ist ersichtlich – raus aus der Lesbenecke, die sie sich durch Tabuisierung und Diskriminierung aber selbst geschaffen hat. Der DFB will alle Mädchen und Frauen für den Fußballsport gewinnen. Das sollte Mann dann aber bitte auch ehrlich sagen, auch wenn das zugegebenermaßen nicht ganz leicht ist, wenn man seit Jahrzehnten die Homosexualität im Fußballsport geradezu totgeschwiegen hat. Vor allem auf Seiten des Männerfußballs. Daher kam es auch allerorten zu entlarvenden Überreaktionen wie die beim Spiel Brasilien gegen Australien: Fans der Landesarbeitsgemeinschaft Lesben in Nordrhein-Westfalen war ihr Banner mit dem Slogan „Fußball ist alles, auch lesbisch“ vom Sicherheitsdienst weggenommen worden. Die Entschuldigung des Hausherrn nach öffentlicher Empörung folgte zwar prompt, auch der DFB beeilte sich umgehend zu betonen, dass es nicht an der inhaltlichen Botschaft lag. Doch es bleibt ein faler, ja bitter-böser Beigeschmack. Fast zeitgleich tönte die nigerianische Nationaltrainerin Eucharia Uche in der New York Times, „Homosexualität unter Frauen ist moralisch falsch und ein schmutziges Thema“. Sie betonte mit stolzer Brust, dass „in ihrem Team keine Lesbe kicken darf“. Im Hessischen Rundfunk reagierte FIFAFunktionärin Tatjana Haenni mehr als enttäuschend: „Wir werden darauf hinweisen, dass es schön wäre, wenn man sich neutral ausdrückt.“ Wie entlarvend. Zwei Fans des sozialen Netzwerks „Fußball gegen Homophobie“ brachten es auf Facebook auf den Punkt. Sabrina: „Geht gar nicht und tschüss – Ausschluss wäre angemessen gewesen, Menschenrechte sollten auch im Sport respektiert und geahndet werden – wohl aus gleichem Grund diese völlig inakzeptable Schiedsrichterinnen-Leistung, *BUUUHH*“. Carmen: „Hallo an ALLE die heute das Spiel Deutschland-Nigeria im Stadion schauen! Wie wärs mit einem Zettel, Plakat auf dem steht „STOP HOMOPHOBIA“ als kleinen „Gruss“ an die Nigerianische Trainerin / den Nigerianischen Fussballverband??“
Die Fußball-WM der Frauen war mit vielen lesbischen und schwulen Spielerinnen auf fast allen CSD- und Pride-Paraden in Deutschland präsent. Ex-Nationalspielerin Tanja Walther-Ahrens erhielt von DFBBoss Theo Zwanziger den Zivilcouragepreis des Berliner CSD. Das war ganz schön. Außerhalb Deutschlands kommentierte das kaum eine Zeitung oder ein TVSender. Auch in Deutschland wurden die Lesben im Fußball weiter versteckt. Ganz zu schweigen von den Schwulen. So lange Repräsentanten wie jüngst der Bundespräsident gutgemeinte, aber leichtfertig widersprüchliche Botschaften in die Welt posaunen (Christian Wulff in der Frankfurter Rundschau: „Sexualität ist Privatsache. In einigen Jahren werden wir Spieler haben, die ihre Homosexualität offen leben. Bei den Frauen ist das offenkundig der Fall.“), bleibt es ein einziger K(r)ampf. Das hatten wir doch schon mal, dass es „überhaupt niemanden etwas anginge, was in seinem Bett passiert“. Foul !!! Herzerfrischend und vom öden Statements ablenkend war dann doch diese fiktive Geschichte, die am 1. Juli von „Will Future“ via Blogger.com gepostet wurde: “…damit „das Projekt Frauenfußball“ nicht aus der Öffentlichkeit verschwindet, gestand Bundestrainerin Silvia „Johanna“ Löw nun: „Ja, es stimmt. Olivia Bierhoff und ich sind seit Jahren ein Paar!“ Sie seien sehr glücklich und überlegten sogar zu heiraten. Und auch über die Anfänge ihrer Beziehung wußte Löw zu berichten: „Ich wußte schon immer, daß ich Frauen liebe, aber für Olivia war das nicht immer klar. Als wir uns das erste Mal sahen, war sie ja noch mit Jürgen Klinsmann liiert!“ Die Journalisten staunten nicht schlecht über diese Enthüllung. In der Mannschaft hingegen sei die Beziehung zwischen Löw und Bierhoff schon länger ein offenes Geheimnis gewesen. „Die erotischen Blicke zwischen Frau Löw und Frau Bierhoff während der Spielvorbereitung oder im Entspannungsbecken waren doch nicht zu übersehen!“, so Kapitänin Michaela Ballack, die allerdings selbst auf Männer stehe, wie sie betonte: „Den Frings vom FC Toronto zum Beispiel finde ich total süß.“ (http://willfuture.blogspot.com/2011/07/bundestrainerin-liebt-eine-frau.html).
Spiegel Online zog eine andere, eben heterosexuelle WM-Bilanz: „Die WM war ein Erfolg, wie ihn der Frauenfußball noch nicht erlebt hat. Die Spiele haben das Publikum fasziniert, die mediale Anteilnahme war mehr als ein künstlicher Hype, neue Stars wurden geboren.“ Na dann bleibt mir wohl nur der artige Schlusssatz: „Meine große Anteilnahme, verehrtes japanisches Damen-Team. Es war ein fantastisches Finale, fulminant, eine Krönung. Ihre von der Atom- und Tsunami-Katastrophe gebeutelten Landsleute können stolz auf Sie sein. Wir alle gratulieren zum grandiosen Sieg.“ Der Frauenfußball hat sich in der Tat emanzipiert.
SCHWULISSIMO-Autor Jörg Litwinschuh ist Medienwissenschaftler und hat 2010 mit Tatjana Eggeling und Marcus Urban das sozialen Netzwerks Fußball gegen Homophobie gegründet:
www.fussball-gegen-homopobie.de (jl)

Sonntag, 7. August 2011

Revolver (D 2011)

Im Hause Future-Jehnichen wird Kongenialität noch so richtig schön groß geschrieben. Meisterwerk! Meisterwerk! schallt es in allen Gassen. Und auch: Palme! Löwe! Bär! Taube! Himbeere! Egal, Hauptsache Gold!

Donnerstag, 4. August 2011

Thüringen, vom Norden lernen, heißt Siegen lernen



Es heißt gelegentlich, man solle nicht allzu negativ sein, aber ab und an ist ein Minus an der richtigen Stelle doch einiges wert, bzw.: es erspart peinliche Verwechslungen. Also: Vom Norden lernen, heißt Siegen lernen.



















Im Nationalpark-Haus Husum machen übrigens laut Website „zwei Aquarien Appetit auf noch viel mehr“. Da muß man nicht unbedingt etwas Makaberes hineindeuten.

Mittwoch, 3. August 2011

Die Kunst der Stunde

Er ging gelegentlich in Montmartre flanieren und die jungen Damen, von denen er begleitet wurde - er hatte es stets begrüßt, von attraktiven jungen Damen begleitet zu werden, ganz egal, wohin - wurden immerzu von den zahlreichen anwesenden Künstlern am Place du Tertre um die Erlaubnis für ein Portrait gebeten.

Daß er dies als Kompliment für seinen Damengeschmack zu verstehen hatte, leuchtete ihm ein und er betrachtete dann immer deren Schönheit mit noch mehr Freude.

Was es jedoch bedeuten sollte, daß ihm stets, also wirklich jedes einzelne Mal, die Anfertigung einer Karikatur angeboten wurde, konnte er sich beim besten Willen nicht erklären.