Freitag, 12. August 2011

Seien wir ehrlich: es war nur eine Frage der Zeit.

Manch einer wird es noch gar nicht bemerkt haben: Will Future ist seit Neuestem weltberühmt. Deutschlands renommiertestes Monatsmagazin mit Sitz in Hamburg hat es sich nicht nehmen lassen, als erster medialer Globalplayer einen Text von Will Future zu zitieren und als „Herzerfrischend und vom [sic!] öden Statements ablenkend“ zu bezeichnen. Stark.

Hier der vollständige Artikel:

Die FIFA Fußball-WM der Frauen 2011 sollte ein „Sommermärchen“ werden. So hatten es sich zumindest die Marketingstrategen hübsch in Hinblick auf viel Kohle und zukünftig mehr weibliche Vereinsmitglieder ausgedacht. Und bis zum Viertelfinale glaubten auch alle an ein zweites deutsches „Sommermärchen“: Kaum einer schrieb ernsthaft über Lesben, gar über Schwule im Profifußballsport. Die Berichte über den Familienstand der Spielerinnen und Trainerinnen verstummten rasch: „Der Fußball ist ihre Lebensgefährtin!“, war der gemeinsame Tenor der Medien. „Unsere“ Mädels spielten prächtig. Die Strategie der Veranstalter schien aufzugehen, Homosexualität bloß keinen zu großen, dem real entsprechenden Stellenwert im Frauenfußball zu geben. Die Medien schrieben sich die Finger wund und leuchteten in „nie dagewesener Offenheit“ in den „letzten Winkel der Frauenkabinen“. Auch das ein oder andere „Sie liebt eine Frau“ kam dann doch zutage, das Wort lesbisch aber selten über JournalistInnenlippen. Noch im Dezember griff Welt Online ein Interview von Torhüterin Nadine Angerer auf und merkte an, „ dass sie sich nicht auf Männer oder Frauen festlegen will“. Na gut, „die Nummer eins der Welt“ (FAZ) ist eine Bisexuelle. Dafür hat ihre Stellvertreterin Ursula Holl ihre Lebensgefährtin letztes Jahr sogar geheiratet. Schön brav, na bravo! Nun lobte jede jeden und umgekehrt. Und wir alle lernten, was wirklich wichtig ist: „Die Trendfrisur heißt Pferdeschwanz“. Schöne heile Frauenfußball-Welt.
Kaum einer schrieb über Schwule im Männerfußball. Und Bundestrainerin Silvia Neid war plötzlich, eh man sich versah, die neue Mutter deutscher Nation. Selbst meine Mutter, auf dem Land lebend und bisher nie als fußballliebend aufgefallen, saß regelmäßig vor der Glotze und kommentierte zuletzt in einem Telefonat mit mir „die perfekt sitzenden Hosen von Frau Neid“, bei der man so gar keinen Slip sähe. Bitte was? Es ist zum Kotzen! Dafür habe ich nicht gekämpft! Wenn da mal bei meiner Mutter kein Neid im Spiel war…
Millionen mehr oder wenig sportlicher Sesselfurzer und Bierstammtische ewig gestriger Ultras von Helgoland bis Görlitz und von Köln bis Dresden hatten den Frauenfußball plötzlich lieb. Und damit Basta! Nach den ersten TV-Rekorden plante die ARD laut BILD-Zeitung gar, „Frauen-Fußball künftig in der Sportschau am Samstag zu zeigen“. Um das zu ermöglichen, „werde über eine Veränderung des Spielplans diskutiert“. Schöne neue Fernsehwelt.
Dann kam das jähe Aus: 16,95 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer sahen im Fernsehen die „echt schockierende“ Niederlage der deutschen Fußballdamen gegen die Japanerinnen. Nur die Einschaltquote war WM-Rekord. Die FAZ kommentierte: „Athletinnen ohne Ideen.“ ...danach verwandelte sich die Elf zunehmend in ein Kollektiv an Athletinnen, das den Gegner zwar in dessen Ballbesitz zu bearbeiten verstand, im eigenen Ballbesitz das Spielgerät aber meist lediglich hoch und weit über ein Feld zu schlagen wusste.“ Ach ja? Unsere Nationalmannschaft war eher am enormen Erwartungsdruck von allen Seiten „gescheitert“ als an ihrer sportlichen Gesamtleistung. Apprupt geriet auch die Vermarktungsstrategie für den deutschen Frauenfußball ins Stocken. Dies ist wahrlich kein Ruhmensblatt, zumal die FIFA Fußball-WM der Frauen sowieso bei Werbung und Vermarktung Lichtjahre hinter der der Männer-WM lag. Ziemlich unsouverän reagierten fast alle: die Medien, der mächtige DFB, die noch mächtigere FIFA und die Bundestrainerin höchstpersönlich. Von einem auf den anderen Tag verfiel Deutschland fast wieder in alte, männlich dominierte Fußballzeiten zurück.
Wer hat überhaupt ein „Sommermärchen“ erwartet? So ein Schwachsinn! Die Verbände wollen – und das ist ersichtlich – raus aus der Lesbenecke, die sie sich durch Tabuisierung und Diskriminierung aber selbst geschaffen hat. Der DFB will alle Mädchen und Frauen für den Fußballsport gewinnen. Das sollte Mann dann aber bitte auch ehrlich sagen, auch wenn das zugegebenermaßen nicht ganz leicht ist, wenn man seit Jahrzehnten die Homosexualität im Fußballsport geradezu totgeschwiegen hat. Vor allem auf Seiten des Männerfußballs. Daher kam es auch allerorten zu entlarvenden Überreaktionen wie die beim Spiel Brasilien gegen Australien: Fans der Landesarbeitsgemeinschaft Lesben in Nordrhein-Westfalen war ihr Banner mit dem Slogan „Fußball ist alles, auch lesbisch“ vom Sicherheitsdienst weggenommen worden. Die Entschuldigung des Hausherrn nach öffentlicher Empörung folgte zwar prompt, auch der DFB beeilte sich umgehend zu betonen, dass es nicht an der inhaltlichen Botschaft lag. Doch es bleibt ein faler, ja bitter-böser Beigeschmack. Fast zeitgleich tönte die nigerianische Nationaltrainerin Eucharia Uche in der New York Times, „Homosexualität unter Frauen ist moralisch falsch und ein schmutziges Thema“. Sie betonte mit stolzer Brust, dass „in ihrem Team keine Lesbe kicken darf“. Im Hessischen Rundfunk reagierte FIFAFunktionärin Tatjana Haenni mehr als enttäuschend: „Wir werden darauf hinweisen, dass es schön wäre, wenn man sich neutral ausdrückt.“ Wie entlarvend. Zwei Fans des sozialen Netzwerks „Fußball gegen Homophobie“ brachten es auf Facebook auf den Punkt. Sabrina: „Geht gar nicht und tschüss – Ausschluss wäre angemessen gewesen, Menschenrechte sollten auch im Sport respektiert und geahndet werden – wohl aus gleichem Grund diese völlig inakzeptable Schiedsrichterinnen-Leistung, *BUUUHH*“. Carmen: „Hallo an ALLE die heute das Spiel Deutschland-Nigeria im Stadion schauen! Wie wärs mit einem Zettel, Plakat auf dem steht „STOP HOMOPHOBIA“ als kleinen „Gruss“ an die Nigerianische Trainerin / den Nigerianischen Fussballverband??“
Die Fußball-WM der Frauen war mit vielen lesbischen und schwulen Spielerinnen auf fast allen CSD- und Pride-Paraden in Deutschland präsent. Ex-Nationalspielerin Tanja Walther-Ahrens erhielt von DFBBoss Theo Zwanziger den Zivilcouragepreis des Berliner CSD. Das war ganz schön. Außerhalb Deutschlands kommentierte das kaum eine Zeitung oder ein TVSender. Auch in Deutschland wurden die Lesben im Fußball weiter versteckt. Ganz zu schweigen von den Schwulen. So lange Repräsentanten wie jüngst der Bundespräsident gutgemeinte, aber leichtfertig widersprüchliche Botschaften in die Welt posaunen (Christian Wulff in der Frankfurter Rundschau: „Sexualität ist Privatsache. In einigen Jahren werden wir Spieler haben, die ihre Homosexualität offen leben. Bei den Frauen ist das offenkundig der Fall.“), bleibt es ein einziger K(r)ampf. Das hatten wir doch schon mal, dass es „überhaupt niemanden etwas anginge, was in seinem Bett passiert“. Foul !!! Herzerfrischend und vom öden Statements ablenkend war dann doch diese fiktive Geschichte, die am 1. Juli von „Will Future“ via Blogger.com gepostet wurde: “…damit „das Projekt Frauenfußball“ nicht aus der Öffentlichkeit verschwindet, gestand Bundestrainerin Silvia „Johanna“ Löw nun: „Ja, es stimmt. Olivia Bierhoff und ich sind seit Jahren ein Paar!“ Sie seien sehr glücklich und überlegten sogar zu heiraten. Und auch über die Anfänge ihrer Beziehung wußte Löw zu berichten: „Ich wußte schon immer, daß ich Frauen liebe, aber für Olivia war das nicht immer klar. Als wir uns das erste Mal sahen, war sie ja noch mit Jürgen Klinsmann liiert!“ Die Journalisten staunten nicht schlecht über diese Enthüllung. In der Mannschaft hingegen sei die Beziehung zwischen Löw und Bierhoff schon länger ein offenes Geheimnis gewesen. „Die erotischen Blicke zwischen Frau Löw und Frau Bierhoff während der Spielvorbereitung oder im Entspannungsbecken waren doch nicht zu übersehen!“, so Kapitänin Michaela Ballack, die allerdings selbst auf Männer stehe, wie sie betonte: „Den Frings vom FC Toronto zum Beispiel finde ich total süß.“ (http://willfuture.blogspot.com/2011/07/bundestrainerin-liebt-eine-frau.html).
Spiegel Online zog eine andere, eben heterosexuelle WM-Bilanz: „Die WM war ein Erfolg, wie ihn der Frauenfußball noch nicht erlebt hat. Die Spiele haben das Publikum fasziniert, die mediale Anteilnahme war mehr als ein künstlicher Hype, neue Stars wurden geboren.“ Na dann bleibt mir wohl nur der artige Schlusssatz: „Meine große Anteilnahme, verehrtes japanisches Damen-Team. Es war ein fantastisches Finale, fulminant, eine Krönung. Ihre von der Atom- und Tsunami-Katastrophe gebeutelten Landsleute können stolz auf Sie sein. Wir alle gratulieren zum grandiosen Sieg.“ Der Frauenfußball hat sich in der Tat emanzipiert.
SCHWULISSIMO-Autor Jörg Litwinschuh ist Medienwissenschaftler und hat 2010 mit Tatjana Eggeling und Marcus Urban das sozialen Netzwerks Fußball gegen Homophobie gegründet:
www.fussball-gegen-homopobie.de (jl)

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