Dienstag, 18. Mai 2010
















Will Future traf am vergangenen Wochenende den Photographen Bo Regarr zur Eröffnung seiner Ausstellung „airplanes. naked“ am Pariser Place de Furstemberg.

Herr Regarr, ich grüße Sie. Ein Hamburger in Paris – wie konnte denn das passieren?

Nun, zunächst einmal grüße ich auch Sie, Herr Fütür. Oder heißt es Fjuhtschor?

Mein Name ist Future. Will Future.

Ahja.

Aber sprechen wir doch von Ihren Bildern, Herr Regarr.

Sehr gern.

Erklären Sie doch bitte unseren Lesern, die nicht mal eben schnell rüberjetten können, die Besonderheit Ihrer Bilder.

Also, meine Bilder sind insofern speziell, als daß ich mich seit einigen Jahren der Nacktphotographie verschrieben habe -

Entschuldigen Sie bitte mein frühes Einhaken, aber heißt es nicht eigentlich Aktphotographie?

Eine bestimmte Art der Photographie heißt natürlich Aktphotographie, das haben Sie ganz richtig erkannt. Aber meine Herangehensweise ist eine andere. Aktphotographie ist mir zu eng gefaßt.

Weil Akt nur ein Teil der Nacktphotographie ist? Weil Sie sich auch für pornographische Bilder interessieren?

Das tue ich sicherlich, wobei in meinen Augen das Medium Film um einiges geeigneter für die Pornographie zu sein scheint. Das ist aber nicht mein Ansatz, wenngleich ich zugeben muß, daß das Hinwenden zum Pornographischen dahingehend in die richtige Richtung geht, als daß es die Photographie nicht nur auf das streng klassisch Künstlerische beschränkt.

Sie gehen also d’accord, Pornographie als Nicht-Kunst zu verstehen!?

Natürlich, da bin ich durchaus reaktionär. Den Kunstbegriff ewig zu weiten, macht ihn doch irgendwann unoperabel, nicht wahr!? Aber wie gesagt, ich setze an anderer Stelle an. Akt- und Nacktphotographie zu unterscheiden finde ich eigentlich unsinnig, weil beide Kategorien doch auf verschiedenen Ebenen anzusiedeln sind.

Inwiefern?

Nun. Selbstredend kann ein Nacktbild auch ein Aktbild sein, aber es ist eben nicht jedes Nacktbild ein Akt und längst nicht jeder Akt ist ein Nacktbild. Das Merkmal „Akt“ ist schließlich auf Seite des Kunstwerkes, des Produktes zu sehen, wohingegen „Nackt“ auf Seite des Künstlers, des Produzenten anzusiedeln ist. Sehen Sie den Unterschied?

Ehrlich gesagt bin ich ein wenig verwirrt.
Das ist gar kein Problem! Deswegen gebe ich ja ab und an Interviews. Um mich zu erklären. Nun. Ich mache es kurz: Ein Aktbild ist ein Bild, das einen nackten Körper zeigt (und keine Pornographie ist, doch dies nur in Parenthese). Ein Nacktbild hingegen kann theoretisch alles mögliche zeigen: eine Straße, einen gekleideten Menschen etc. sogar einen Akt oder auch Pornographie. Schauen Sie sich einfach hier die Bilder an und Sie sehen die Vielfalt. Das Nacktbild wird erst dadurch zum Nacktbild, weil es von einem oder einer Nackten gemacht wurde. Dadurch erhält es erst diesen speziellen Stil, diese Spannung, die von einem geübten Kritiker wie von einem Laien erkannt wird. Und geschätzt! (lacht)

Sind Sie sicher, daß man das einem Bild ansieht?

Ich weiß es! Sehen Sie sich doch die Bilder an. Ich gebe zu, daß das Auge des Betrachters ein wenig geschult sein muß, daß bestimmte Elemente bekannt sein müssen. Dann jedoch ist es ein Leichtes, ein Nacktbild von einem „Kleidbild“, wie ich es nenne, zu unterscheiden. Ich bin zur Zeit auch dabei, diese Kategorien und Elemente auch auf die Malerei anzuwenden und kann bereits jetzt sagen, daß stimmt, was schon längst vermutet wurde: Michelangelo malte nackt (für seine Experimente verwendete er eine Schutzbrille), van Gogh hingegen bekleidet, was sich in seinen verklemmten Bildern mehr als deutlich zeigt. Dagegen Michelangelo! Majestätisch mit einem Hauch von Unsicherheit, der erst diese Spannung in seine Malerei bringt – eine Eigenschaft, die (schutzbrillenbedingt) bereits seinen Experimenten ein wenig abgeht.

Nennen Sie uns doch bitte noch einige andere große Nacktmaler, Herr Regarr.

Wie gesagt: Ich stehe noch am Anfang meiner Studien diesbezüglich, aber mit hoher Wahrscheinlichkeit kann davon ausgegangen werden, daß sowohl Caspar David Friedrich als auch Lukas Cranach d.J. (in Abgrenzung zu seinem Vater) nackt malten, wohingegen Picasso und Paul Klee angezogen arbeiteten. „Angezogen“ scheint hier ein zentraler Begriff zu sein, weil diese Maler eben mit „angezogener“ Handbremse gearbeitet zu haben scheinen. Das ist gar nicht unbedingt abwertend gemeint, aber ich kann jedem Hobbykünstler, jedem Hobbyphotographen nur dringendst empfehlen, einmal nackt in der Natur oder auf Familienfesten zu photographieren. Sie werden sehen, was da für Energien frei werden! Im übrigen ist das Nacktarbeiten nicht nur auf die bildenden Künste anzuwenden.

Nein, natürlich! Beispielsweise auch im horizontalen Gewerbe!

Haha, sehr witzig, Herr Future. Wie sachlich Sie sind. Erst kommen Sie mit Pornographie und jetzt mit Prostitution. Schöne Hobbies haben Sie da.

Entschuldigänse.

Eigentlich wollte ich darauf hinaus, daß beispielsweise Woody Allen den Großteil seiner Filme nackt dreht. („Was Sie schon immer über Sex wissen wollten…“ und „Annie Hall“ bilden die seltenen Ausnahmen.) Und selbst in den Filmen, in denen er vor der Kamera zu sehen ist, dürfte jeder Zuschauer sehen, daß Allens Kleidung nur Maskerade über einer natürlichen Nacktheit ist. Noch auffälliger ist dieser Eindruck vielleicht noch in den Filmen mit Gina Lolobrigida oder der frühen Sharon Stone, die ganz explizit auf diese Nacktheit anzuspielen scheinen.

Ich weiß genau, was Sie meinen, Bo!

Na sehen Sie. Übrigens schrieben sowohl Dostojewski und Flaubert als auch Vergil und Martin Luther nackt, aber das dürfte ja wohl kaum noch überraschen.

Und wie sieht es mit unseren beiden größten – na… hier… Goethe und Schiller aus?

Nun, bei den beiden verhält es sich freilich ganz besonders: Beide schrieben bekleidet, aber nur in Anwesenheit des jeweils anderen, der nackt gegenüber saß.

Vielen Dank für dieses Interview, Herr Regarr und halten Sie uns doch bitte auf dem Laufenden ihrer Studien.

Ich danke auch Ihnen, möchte jedoch noch einmal festhalten, daß mein Schwerpunkt auf der Produktion von Nacktphotographien liegt, nicht auf wissenschaftlichen Etüden.

Bo Regarr, 1973 in Hamburg geboren, von 1988 bis 1994 in Kiel und Cambridge zum Dachdecker/FH ausgebildet, brach sein anschließendes Masterstudium zum Juristen in Paris nach vier Tagen ab. Seit 1979 beschäftigt er sich intensiv mit Photographie an der Volkshochschule Hamburg-Harburg und nimmt seit 1989 regelmäßig (drei entschuldigte Fehltage) am Harikiri Stammtisch Altona teil. Er lebt nach einigen Jahren in Harburg, wo er weiterhin die Sommermonate verbringt,
seit 2003 wieder in Hamburg.
Seine Befürchtungen, man würde es dem Interview anmerken, daß er seine Hosen an diesem Tag zuhause vergessen hatte auszuziehen, blieben unbegründet.


2 Kommentare:

  1. Erna Apfelbacher19. Mai 2010 um 18:00

    großartig!

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  2. Guilaume d'Avenir20. Mai 2010 um 11:40

    und auch der preis für den 400. besucher geht an monsieur d'avenir! das ist der hattrick, freunde. wohin mit all den großen, teuren dingen in so einem kleinen appartement?

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