Sonntag, 3. April 2011

Uwe-Uwe erschien als letzter am Pier. Mandy Chantalle und Geronimo warteten bereits auf ihn, schließlich hatten sie sich ja auch für Punkt halb verabredet. Uwe-Uwe drückte Mandy Chantalle sein letztes Fünfmarkstück in die Hand, weil sie die Gruppenkarte für die drei bezahlt hatte. Geronimo hatte die Finanztransaktion nicht mitbekommen und drehte sich nun auf dem Steg zur Fähre um. „Wo bleibt ihr denn?“

Als sich die drei in der Mitte der Fähre in einem Viererplatz einrichteten – schließlich sollte die Überfahrt ja fast eine Stunde dauern – schien ihnen die Sonne volle Möhre ins Gesicht. Also, Geronimo nicht, denn er saß den beiden anderen gegenüber, weil er der einzige war, dem nicht schlecht wurde, wenn er rückwärts fuhr. Mandy Chantalle und Uwe-Uwe holten ihre Sonnenbrillen heraus. Geronimo hatte seine eh vergessen.

„Was hast du denn da, MJ?“ Uwe-Uwe nannte Mandy Chantalle „MJ“, MJ wie Michael Jordan, weil sie so eine gute Basketballspielerin war und er früher gedacht hatte, daß man Chantalle vorn mit J schreibt. „Das ist die clerus aktuell, meine Lieblingszeitung.“ „Gib mal her.“ Geronimo schnappte sich die clerus aktuell und las aus einem Artikel vor, über einen Jungen, der sein ganzes Zimmer mit Megapostern des Papstes zutapeziert hatte. In der Mitte der Zeitung war auch ein Poster – es zeigte einen Businesskasper mit Rollkoffer auf einem Flughafen, wahrscheinlich Schwechat, und einer Sprechblase: „Ich denke in meiner Freizeit oft an den Papst.“

Die Fähre bog nach links ab, Uwe-Uwe merkte es daran, daß sich sein linker Fuß von ihm wegbewegte – er hatte ihn auf der Scheibe vor seinem Sitz platziert, auf dem sich auch ein kleiner Junge vergnügte, wie es alle Kinder in Gelenkfähren zu tun pflegen. Sie waren also bald da und zum Zeichen, nun auszusteigen, nickten sich Geronimo, Mandy Chantalle und Uwe-Uwe zu – ebenfalls so, wie es alle Touristengruppen in fremden Städten tun. Weil sie sich nicht sicher war, ob Geronimo das verstanden hatte, sagte Mandy Chantalle: „G., wir müssen hier raus.“ „Ich weiß.“ Eine Mutter drehte sich um, weil sie „G.“ (lies „G-Punkt“) gehört hatte – doch sie erkannte in Mandy Chantalles Mimik sofort, daß dies nur der Spitzname von Geronimo war.

Uwe-Uwes Vater holte die drei am Hafen ab. Er empfahl ihnen ein Restaurant und gab ihnen einen Beutel mit Proviant und Sonnenbrillen. Während Uwe-Uwe und sein Vater sich unterhielten, fragte Geronimo Mandy Chantalle leise: „Wenn das Restaurant so gut ist, warum gibt er uns denn dann Proviant?“. Am Hafen war nichts los, es schien, als ob die Menschen an diesem Sonnabend lieber „Sonntag“ spielten.

Die drei gingen in Richtung Norden, überquerten die Danube und schon standen sie vorm Geburtshaus des berühmtesten Sohnes der Stadt: Itti Cox. Geronimo erkundigte sich nach dem Eintrittspreis. Weil so schönes Wetter war, fragte er, ob die drei nicht am Abend nochmal vorbeikommen könnten, aber die Frau von der Rezeption sagte, daß das Itti-Cox-Haus nur bis um sechs geöffnet habe, also eigentlich nur bis zehn vor.

Als sie einen kleinen Hag durchquerten, wunderten sie sich, wo denn die Eichhörnchen und Füchse waren. Ganz am Ende des Weges, auf einer Lichtung, betraten sie ein historisches Bistrot aus den 80er Jahren. Sie überschauten die ganze Stadt und auch einen beträchtlichen Teil des Meeres. Nachdem sie mit Bier angestoßen hatten, fragte Geronimo: „UU, ist das da unten ein Spaßbad?“ Uwe-Uwe antwortete: „Ja und nein.“ Es war zwar auch ein Spaßbad, aber eben nicht nur. Mandy Chantalle hörte vom Nebentisch, daß am Vortag auf der Freilichtbühne des Bistrots ein Gitarrenduo aufgetreten war. „Der eine hat gesungen, der andere die ganze Zeit mit Kippe im Mund und Gitarre“, sagte eine Frau und Mandy Chantalle fragte sich, wie man mit Gitarre im Mund spielen kann.

In einer Art Park kauften sie einigen Kindern ein Eis beim singenden Eisbären, hatten dann aber nicht mehr genügend Zeit, sich selbst eines zu kaufen. „Schade“, sagte Uwe-Uwe, aber kaum hatte er es ausgesprochen, standen sie schon am nächsten Imbiß und kauften die einheimische Spezialität: gebratener Votsenkopffisch mit Senf. Der kulinarische Genuß kam einem inneren Reichsparteitag nahe, was sie sich nicht trauten zu denken, nachdem sie erst kurz vorher am Mahnmal für faschistische Oper vorbeigelaufen waren.

Obwohl sie sich in der größten Mittelstadt Dänemarks, wenn nicht sogar ganz Skandinaviens befanden, hatten alle Geschäfte in der Innenstadt seit mittags geschlossen. Wie gesagt, die Menschen hier spielten Sonntag. Um vor der Hitze zu flüchten, gingen Uwe-Uwe, Mandy Chantalle und Geronimo in die sogenannte „Kelle“, ein weiteres touristisches Must-have dieser Stadt. Sie bezahlten recht umständlich den Eintritt (der Kassierer hatte Probleme, von Mark in Schilling umzurechnen) und schlossen sich der Führung durch die „Kelle“ an.

Der Führer, der der Zwillingsbruder des Kassierers war, wie sich später herausstellte, erklärte der Gruppe zügig, was eine „Kelle“ sei – im Grunde genommen eine Mischung aus einem Keller und einer Höhle. Die Bewohner der Stadt hatten diese früher angelegt, um ihren Alkohol vor den Nazis zu verstecken. Mandy Chantalle, Geronimo und Uwe-Uwe erfuhren auch, das die „Kelle“ im letzten Jahr endlich vom Premierminister des Landes als „echtes Museum“ ausgezeichnet wurde, nachdem man eine Vitrine angeschafft hatte.

Nächstes Highlight der Tour war der Marktplatz der Stadt, der genau so pittoresk aussah, wie jeder andere in dieser Gegend. Als die Kellnerin die Getränke brachte, sagte sie: „Zwei Kaffee für die Erwachsenen“ und stellte Uwe-Uwe ein Fläschchen heiße Milch hin. Er trank es zufrieden aus. „Ich brauche noch eine Videokassette!“ entfuhr es Mandy Chantalle.

„Haben sie den neuen Roman von Curt Tucholsky?“ Die Verkäuferin starrte auf den Bildschirm. Nach anderthalb Minuten fragte sie ratlos: „Wie schreibt man denn Titcharlsky?“ Mandy Chantalle buchstabierte es und sie fanden es nicht. Geronimo, der daneben stand, fragte, ob sie denn nicht eigentlich einen Film haben wollte und Mandy Chantalle schlug die Hände über dem Kopf zusammen und sagte: „Stimmt!“. Sie kaufte schließlich eine CD.

Uwe-Uwe hatte unterdessen einen Luftballon gekauft und schaute sich jetzt Brillen an. Er lief in dem Laden hin und her zwischen Spiegel und Brillenständer. Einige Mädchen folgten ihm, wahrscheinlich weil er einfach mit jeder einzelnen Brille hervorragend aussah. Wie sie so hinter ihm hin und her trippelten, konnte man fast denken, man wäre auf einer Modenschau. „Fehlen nur noch die afrikanischen Trommler“, sagte Geronimo und Mandy Chantalle verbesserte ihn „Percussionisten!“

Als sie die Fähre in Richtung Heimat (Südeuropa via Prag) bestiegen, waren sie etwas enttäuscht, weil es diesmal keine Gelenkfähre war. Ein junger Mann wollte von ihnen wissen, warum sie die Fähre genommen hatten, woher sie kamen, warum sie da sein, wohin sie wollten. Mandy Chantalle, Uwe-Uwe und Geronimo wußten es nicht so richtig und schauten aus dem Fenster.

7 Kommentare:

  1. Die Geschäftsleitung von Elitetours3. April 2011 um 17:56

    Sind wir nicht alle ein wenig Geronimo?

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  2. Gustav Aschenbach3. April 2011 um 17:59

    Der Junge auf der Gelenkfähre ist nicht detailliert genug beschrieben. Ich will ihn mir vorstellen können!

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  3. Ich hab'nen Doppelnamen. Ich heiß Uwe-Uwe.

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  4. chantalle mit jott der uu is so blöde ich mein mit sch würde ich ja verstehen wie bei der frau schantall aus der dritten etage. die heißt aber nicht mandy mit vornamen hat auch kein doppelnamen einfach cindy schantall. vorname cindy hintername schantell.

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  5. seh grad hab mich verschreiben. nicht schantell sondern schantall. cindy schantall

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  6. und noch mal verschrieben nicht verschreiben. bin so blöde... wie uu!

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  7. ey, ihr von elitetours, ihr seid gar nicht alle geronimo! ich bin geronimo!

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