Hertha BSC Müller steht kurz vorm Aufstieg in die 1. Liga. Die alte Dame aus Berlin setzte sich am Wochenende deutlich gegen den FC Jean Pauli aus Hamburg durch. Das Spiel lief äußerst friedrich und schillernd ab und könnte die Seite eines neuen Kapitels für Hertha BSC Müller aufschlagen. Nachdem es in den letzten Jahren eher galt, sich mit den Kleineren wie ETA Hoffenheim, den Kickers Jacques Offenbach oder Altmark Stendhal zu messen, winken in der nächsten Saison Duelle mit den Großen der Zunft – und das nicht nur auf nationaler Bühne. Da sich die alte Dame über den Nobelpreis auch für die Championsleague qualifiziert hat, heißt es ab Herbst, sich gegen Arsenal Jack London, Grasshoppers Günther und Harold Pinter Mailand für das Finale in Klagenfurt zu qualifizieren.
Mittwoch, 30. März 2011
Erst der Nobelpreis, dann die Bundesliga
Freitag, 25. März 2011
Aus dem Schatten des großen Bruders
Reiner Haselhoff hat es geschafft. Er ist in der CDU und steht kurz davor, Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt zu werden. Die Koalitionsgespräche mit der SPD laufen wie geschmiert, sagen er und ein Vertreter der e-on uni sono. Haselhoff, in der CDU „seit ich denken kann“ und fast genau so lange Doktor der Physik möchte im Land der Frühblüher einiges bewegen. Doch wer ist dieser Mann?
„Ich gebe zu, daß mich ein Großteil der Öffentlichkeit noch nicht kennt – sicherlich auch, weil ich lange Zeit im Schatten meines Bruders stand. Das ist jetzt aber vorbei.“ Reiner Haselhoff scheint noch nicht ganz sicher, aber wenn er es oft genug und vor allem vor vielen Menschen wiederholt, werden es schon alle begreifen, daß nun seine Zeit gekommen ist. „Sicherlich, David hat den Mauerfall entschieden herbeigeführt - aber er hatte es auch wesentlich einfacher als ich.“
Reiner Haselhoff, wurde 1954 geboren, zwei Jahre nach seinem Bruder David, er studierte in Dresden und Berlin. Die Brüder hatten kaum Gemeinsamkeiten („David interessierte sich eigentlich nur für Sportwagen und dicke Titten“) verstanden sich lange nicht besonders gut. Speziell nachdem David 1984 „nach’m Westen rüber is“ und eine Karriere im Showbusiness begann, hatten sie sich ganz überworfen. Warum er damals abgehauen sei, habe er ihm erst viel später erklärt, so Reiner Haselhoff. „I was looking for freedom“ hatte die einfache Erklärung Davids gehießen.
Nach der politischen Wende in Deutschland fanden nicht nur zwei Staaten, sondern auch zwei Brüder wieder zueinander. Reiner, der jüngere, promovierte über die „Entwicklung von Meßgeräten auf der Basis der linearen Laser-Absorptionsspektrometrie zur empfindlichen Molekülgas-Konzentrationsmessung“. David, der ältere, vor allem aber der große Bruder, baute auf den Ergebnissen Reiners aufbauend ein Auto mit Laser-Absorption – der Grundlage für den großen Erfolg von Knight Rider.
„Daß der Wagen schwarz war, fanden wir von der CDU in Sachsen-Anhalt natürlich stark“, sagt Reiner Haselhoff heute und er ergänzt augenzwinkernd: „Und daß die Bikinis in Baywatch rot waren, kommt mir jetzt in den Verhandlungen mit der SPD zu Gute.“ David unterstützt Reiner heute, wo er kann, im Wahlkampf („Ja, der CDU-Wahltruck ist der alte von der Foundation“) oder beim Styling. Aber funktioniert die Hilfe auch andersrum?
„Ich wünschte, Reiner könnte mir einen neuen Job verschaffen“, sagt David heute. „Wenn er doch nur noch Direktor des Arbeitsamtes in Wittenberg wäre!“ David Haselhoff trägt Jogginghosen, er riecht nach Schnaps, als wir ihn zum Interview besuchen. Er wohnt wieder im elterlichen Haus in Bülzig, wo die beiden Brüder aufgewachsen sind und spielt viel Golf, „wenn mich Cindy, Pamela und Chantalle mal aus dem Pool lassen…“
Ein seltener Moment der Zweisamkeit unter Brüdern: v.l.n.r Reiner und David Haselhoff
Freitag, 4. März 2011
Als Boris das Lokal betrat, sah er als erstes Andreas, den Barkeeper. Vier oder fünf Leute vorm Tresen versperrten die Sicht auf die Tafel mit den Gerichten des Tages. Zwischen ihnen und der weit von der Decke hängenden Lampe erkannte er eigentlich nur „ßler“ und schräg drunter „erkra“ –genug, um innerlich in die Hände zu klatschen. Wenn wir hier beim Glücksrad wären, dachte er, würde ich „Ich möchte lösen“ sagen und „Die Lösung ist: Kaßler mit Meerrettichsoße, Knödeln und Sauerkraut 5,50“. Er hatte also mal wieder den richtigen Tag erwischt, ganz zufällig und das machte es noch besser. Der Koch kam rein, zweimal Kaßler in der Hand und stellte die Teller auf dem Stammtisch ab. „Für mich das Gleiche, bitte“. Der Koch schaute hoch. „Mensch, Boris, was machst’n du hier?“ freute er sich. Boris freute sich auch und der Koch sagte, daß er viel moderner aussähe mit den kurzen Haaren. Boris sagte, daß sich ganz schön viel verändert hatte, seit er das letzte Mal hier war und der Koch zuckte daraufhin mit den Schultern. Dann verschwandt er wieder in der Küche und Boris war am Tresen dran. Wie immer einmal Kaßler und eine Cola, bezahlen. Er setzte sich, weil nirgends sonst Platz war, an den Stammtisch zu den Kaßleressern, nahezu gleichzeitig mit einem jungen, schüchternen Pärchen. Die beiden schienen zu denken, daß hier jemand an den Tisch kommt. Nach einiger Zeit ging dann der Junge zur Bar und kam mit der kleinen Karte, diesem eingeschweißten Blatt Papier, oder wie man das nennt, zurück. Laminiert, genau, das ist es. Der früher ganz neue blaue Holzfußboden war jetzt schön verschrammelt. Das Mädchen wollte einen Salat und tatsächlich sah sie wie so eine verbissene Klischee-Vegetarierin aus, wie es sie in den Neunzigern schon nicht mehr wirklich gegeben hatte. Der Koch brachte Boris‘ Kaßler und der fiel sofort darüber her. Der Junge bekam dann auch einen und das Mädchen guckte ob des fasrigen Fleisches angewidert in ihren Kakao. Neenee, das hatte er nicht bestellt, sagte der Junge, Klöße wollte er, das sind ja wohl Knödel oder nicht. Der Teller wanderte zum Nachbartisch und das Mädchen schien zufrieden. Das Sauerkraut war für Boris‘ Empfinden etwas zu sauer, er hob es unter die Meerrettichsoße. Ein Fest. Der Koch war auch schon wieder da und setzte einen nein zwei Teller vor dem Jungen ab, einen mit Klößen und einen mit einer riesigen Haxe. Boris war begeistert, der Junge auch. Das Mädchen wußte gar nicht, was sie machen sollte, Boris glaubte, sie würde ihn verlassen oder später im Bett vollkotzen. Denk ich mal, dachte er. Dann mußte er los, auf der anderen Flußseite warteten ein Mädchen und ein Hund. Er fragte Andreas nach der Musik im Radio und ging an der rauchenden Vegetarierin vorbei zum Auto.
Er war, wenn man die angekündigte Viertelstunde Verspätung einrechnete, verhältnismäßig pünktlich. Noch zweimal um die Ecke und er war da. Ein scheppernder Radfahrer nam jeden Bordstein mit, zwei Schwarzkapuzte Männer standen am Geldautomat. Boris regte sich über zwei verschwenderisch geparkte Autos auf und dann war er da. Eva winkte schon von weitem. Ob sie ihn etwa gerade überholt hatte ohne es zu merken, fragte sie. Er sagte ihr, daß ihr Fahrrad klappere, sie zeigte ihm daraufhin relativ stolz den losen Gepäckträger und demonstrierte ihm durch eingehendes Vor- und Zurückbewegen, daß da nur noch zwei kleine Schrauben dran waren, die den Laden zusammenhielten. Wo ist denn der Hund? Zuhause geblieben. Nun. Beide klapperten ein paar Straßen weiter und gingen in eine Kneipe von früher. Also nicht, daß sie da jemals gewesen wären, von früher meinte nur: dunkel und stickig und man kann drinnen rauchen. Sie bestellten Bier und Cola und Eva schenkte Boris ein Buch, das ihm noch besser gefiel als sie erwarten konnte. Also er hatte den ersten Teil. Sie redeten über Kunst, die Zukunft und seine Freundin und Boris verstand überhaupt nicht, warum der Hund nicht mitgekommen war. Sie wäre neulich zum ersten Mal allein und ohne Hilfsmittel in eine Kneipe gewesen. Das hatte sie früher nie gekonnt und wollte es jetzt lernen. Er gab zu, daß er, der er sehr gern allein in Kneipen oder Cafés ging, dies immer mit Hilfsmitteln täte, also einem Buch oder Zettel und Papier. Mit Zettel und Papier meinte er Stift und Papier oder Stift und Heft oder so. Das hatte sich so falsch bei ihm eingeschliffen. Weil, wenn man ganz ohne Hilfsmittel allein in einer Kneipe sitzen wolle, müsse man rauchen oder wenigstens Bier trinken. Weil in ein Bier kann man ja einfach reingucken und dann ist das gut. Das geht nicht mit Kaffee oder Cola oder sowas, nicht mal mit Wein. Sie fragten sich, ob man nicht einfach ein Bier dazubestellen könnte zum eigentlichen Getränk, nur zum Reingucken. Auf die Frage „Welches Bier denn?“ des Kellners konnte man dann den Schocker bringen „Egal, kann auch alkoholfrei sein.“ Da würde der dann ganz schön staunen bei so viel Kühnheit, denk ich mal, dachte er.
Später ließ er sich zu einer heißen Schokolade hinreißen, einer großen natürlich und als die Kellnerin fragte „Mit Sahne?“ dachte er nur „Ist der Papst katholisch, Mäuschen?“ und sagte „Ja“ oder sowas. Sowas wird natürlich auf den Fuß bestraft. Er bekam eine Tasse, aus deren Keramik man getrost zwei Waschbecken hätte gießen können, mit einer äquivalenten Sahnehaube in Größe des Fichtelberges. Eine Stunde nach dem Kaßler eine vollwertige Mahlzeit in süß. Er erinnerte sich an die Übelkeit nach einem „Mont Blanc“ auf der Rue Mouffetard in Paris vor vielen Jahren, einem Crêpe mit viel Schokosauce, Sahne, die die Franzosen so himmlisch „crème chantilly“ nannten, gehörig Mandeln und „Dulce de Lecce“ oder wie das Zeug hieß. Er hatte damals fast gekotzt, weil es so viel war und so gut, daß er nicht aufhören konnte zu essen. Wegen einer heißen Schokolade das große Erinnern anfangen – du fängst ja schon an wie Marcel Proust, sagte er sich und fühlte sich sofort beleidigt. Er nahm das dann zurück und entschuldigte sich bei sich. Obwohl ja auch immer ein Fünkchen Wahrheit bei sowas mitschwingt.
Eva sagte, daß sie sich einen neuen Namen zulegen wollte, nur fiel ihr keiner ein. Biographie, Frisur, Website – alles fertig, aber der Name? „Du hast dir eine Biographie für dich ausgedacht?“ fragte Boris und sie sagte „Klar! 83 geboren (warum sich bei der Gelegenheit nicht ein wenig jünger machen?); Studium der Malerei; heute Land- und Anstreicherin; rotes Herz und bunte Kleider.“ So einfach war das. Da wäre er nicht drauf gekommen, aber ganz soweit weg von der Realität schien es ihm nicht. „Familienstand und Hobbies gehen die Öffentlichkeit doch einen Scheiß an.“
Was Boris auf dem Heimweg bereits befürchtet hatte, nämlich, daß er völlig verweichlicht war, weil er den Rauch in Kneipen, also eigentlich Kneipen an sich, nicht mehr gewohnt war, wurde später noch doppelt bekräftigt: seine Augen tränten während der gesamten Fahrt wie blöd und als seine Frau ihn am nächsten Tag fragte „Wo warst du denn? Deine Klamotten stinken ja abartig! Verraucht und muffig“ wußte sie das nur noch zu untermalen mit den Worten „Wie in deiner alten Wohnung.“
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